Das Herz
zurückgekehrt, und auch sonst sei niemand von oben heruntergekommen.«
Panhyssirs Gesicht war immer noch sorgsam nichtssagend, aber Vash glaubte doch, einen Hauch von Beunruhigung zu sehen. »Ach. Trotzdem, das ist bestimmt nichts weiter. Irgendeine Verwirrung, die Zuständigkeiten betreffend, oder auch einfach ein äußeres Hindernis, ein Felsrutsch oder dergleichen ...«
»Warum sind unsere Kuriere dann nicht zurückgekommen, um zu melden, dass der Weg versperrt ist?«
»Ich habe keine Ahnung. Und es ist gewiss etwas, das es im Auge zu behalten gilt, Bruder Pinnimon. Aber meiner Meinung nach nichts, worüber man sich allzu viele Gedanken machen müsste.«
Vash wurde dadurch abgelenkt, dass das Mädchen weinte. Der junge Priester stand über sie gebeugt und flüsterte ärgerlich auf sie ein. Jetzt, da Vashs Augen sich an das Licht im Heiligtum gewöhnt hatten, sah er, dass nicht alle Überredungsmethoden, die auf sie angewandt worden waren, ausschließlich in Drohungen bestanden hatten. Sie hatte blaue Flecken im Gesicht und an den Oberarmen und zweifellos weitere unter ihren formlosen Kleidern.
»Ich ... ich bin mir da nicht so sicher, Oberpriester Panhyssir. Es könnte ebenso gut ...« Vash starrte immer noch das unglückliche Mädchen an. »Warum sträubt sie sich so?«
»Was? Ach, weil der Sonnenbluttrank schlecht schmeckt, nehme ich an. Wir können ihn ihr nicht in kleineren Portionen verabreichen, dazu ist die Zeit zu knapp.«
Vash schüttelte den Kopf. »Ich verstehe nicht — Sonnenblut ...?«
»Für den Fall, dass sie statt des Nordländerkönigs bei dem Ritual benutzt werden muss. Er hat eine Vorfahrin aus der direkten Blutslinie der Götter, das liegt nur wenige Generationen zurück.« Panhyssir nickte gravitätisch. »Sie ist ein entfernter Bastard und hat Habbilis Blut nur in sehr verdünnter Form in sich. Deshalb müssen wir dieses Blut wieder auf eine gewisse Konzentration zurückführen, und zwar schnell.« Das Mädchen stöhnte, ein Laut echter Verzweiflung. Panhyssir lächelte leise. »Gut. Sie hat den Trank zu sich genommen. Ihr solltet besser nicht dabei sein, wenn die Visionen über sie kommen. Für den Laien kann das etwas verstörend sein. Schreien, Um-sich-Schlagen, Ihr könnt es Euch ja denken.«
Vash, der die Aufsicht über Dutzende von Folterungen und Hinrichtungen geführt hatte (nicht so sehr aus Interesse als vielmehr, weil seine Stellung es erforderte) zog eine Augenbraue hoch. »O ja, das klingt schrecklich. Danke, dass Ihr es mir erspart. Aber ich würde doch gern noch einmal auf diese andere Sache zurückkommen ...«
»Andere Sache ...? Ach ja. Und dieses Kommunikationsproblem zwischen dem oberirdischen Lager und unseren Truppen hier beunruhigt Euch? Vielleicht solltet Ihr mit dem Antipolemarchen reden. Der wüsste doch wohl Bescheid, wenn es irgendwelche Schwierigkeiten gäbe.«
Vash nickte. »Ja, das ist eine gute Idee. Weil es meiner Meinung nach auch bedrohlichere Gründe haben könnte, dass die Boten nicht durchkommen ...«
Jetzt war es der Oberpriester, der eine Braue hob. »Bedrohlich? Ach? Was sollte das sein?«
»Es könnten sich dort oben schwere Kämpfe entwickelt haben. Oder eine Streitmacht könnte von der Burg durch die Yisti-Stadt herabgekommen sein und unsere Versorgungswege abgeschnitten haben.«
Panhyssir starrte ihn eine ganze Weile an. Als er auflachte, kam es so plötzlich und so laut wie ein Kanonenschuss, und alle im Heiligtum außer dem würgenden, weinenden Mädchen drehten die Köpfe. »Unsere Versorgungswege abgeschnitten? Dieser Haufen Zwergsoldaten? Womit, mit Spielzeugschwertern und Steckenpferden?« Er fasste sich an den Bauch, als täte der weh. »Oh, Vash, mein ehrenwerter Freund, ich hoffe, Ihr verzeiht mir, aber man merkt, dass Ihr wenig vom Kriegswesen versteht. Wir haben den Widerstand hier so gründlich zerschlagen, dass sie noch Jahre, nachdem wir weg sind, vor jedem vorbeikommenden Fremden die weiße Fahne schwenken werden!«
Wütend und beschämt, aber wie immer nach außen hin freundlich, verbeugte sich Pinnimon Vash und dankte Panhyssir dafür, dass er ihn an seiner Weisheit hatte teilhaben lassen. Im Hinausgehen hörte er das Mädchen immer noch in seinem Käfig husten und schluchzen.
Vansen schrubbte sich, so gut er konnte, mit Sand, ehe er seine Rüstung wieder anlegte. Das war ein Soldatengrundsatz, den er von seinem Ausbilder Donal Murroy gelernt hatte — nutze jede sich bietende Gelegenheit, dich zu säubern. Die
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