Das Herz
das Bein zu behalten.
»Wo ist ... mein Junge?«, fragte Zinnober.
»Kalomel ist wohlauf« Vansen beugte sich vor und nahm die rauhe kleine Hand. »Wir haben ihn nur weggeschickt, etwas essen und sich ein bisschen ausruhen. Er war den ganzen Tag hier an Eurer Seite.«
»Wirklich? Er ist wohlauf?« In Zinnobers Augen standen Tränen. »Ihr sagt das nicht nur, um einen Sterbenden zu beruhigen?«
Vansen schüttelte den Kopf »Ihr sterbt nicht, Magister. Das Fieber geht zurück, das Schlimmste liegt hinter Euch. Und ich schwöre bei meiner Soldatenehre, dass Kalomel bei bester Gesundheit ist — nun ja, soweit man das bei knappen Rationen und wenig Schlaf sein kann. Er ist ein prächtiger, tapferer Bursche, und er wird wütend sein, weil wir ihn gerade jetzt weggeschickt haben, wo Ihr aufgewacht seid.«
Zinnober ließ sich endlich überzeugen. Er legte sich hin und war sofort wieder eingeschlafen.
»Und was
wird
am Ende passieren?«, fragte Malachit Kupfer unvermittelt. »Ich habe noch nie groß über solche Dinge nachgedacht. Werden wir tausend Jahre im Dunkeln liegen, wie manche Leute sagen, oder werden wir gleich auferweckt, um vor den Thron des Herrn zu treten?«
Vansen konnte nur den Kopf schütteln, weil ihn Zorn packte. Wenn diese elenden Qar sich an die Abmachung gehalten hätten, wäre es zu alldem nie gekommen. Er fühlte brennenden Hass in sich aufsteigen — Hass auf die Zwielichtler. Auf diese Kreatur Aesi'uah, die so freundlich getan hatte, die ihm ins Gesicht versprochen hatte, dass die Qar ihre Verbündeten nicht im Stich lassen würden!
Nun ja, in gewisser Weise hat sie wohl die Wahrheit gesagt,
befand Ferras Vansen.
Wie kann man jemanden im Stich lassen, dem man nie wirklich helfen wollte?
»Ich werde jetzt mein Haupt niederlegen«, sagte er mit schleppender Stimme. »Zusehen, dass ich ein bisschen Schlaf bekomme. Ist einer von Euch so gut, mich zu wecken, falls zufällig irgendwelche Xixier auftauchen?«
Olin Eddon stöhnte. Auf seinem Gesicht standen Schweißperlen.
Pinnimon Vash verbeugte sich respektvoll vor dem Todgeweihten. »Wenn Ihr noch irgendeinen Wunsch habt, braucht Ihr es nur zu sagen.«
»Außer dem Wunsch, dass man mir die Armfesseln abnehmen möge, meint Ihr wohl.« Olin hatte in den letzten Tagen rapide abgenommen; die Wangen über dem struppigen Bart waren eingefallen. Seine Augen jedoch waren immer noch so wach, dass es Vash unangenehm war, ihrem Blick zu begegnen.
»Daran trägt niemand Schuld außer Euch selbst, König Olin.« Noch während er es sagte, merkte er, dass er sich anhören musste wie ein alter Begünstigter aus dem Frauenpalast, der einen minderen Prinzen schalt. »Ihr könnt ja wohl nicht erwarten, dass man Euch frei herumlaufen lässt, nachdem Ihr versucht habt, den Goldenen zu töten.«
Olin lachte bitter. »Wenn Ihr nur etwas Verstand hättet, hättet Ihr und der Rest dieser xixischen Schafe mir dabei geholfen. Das Ungeheuer könnte jetzt tot sein.«
Vash konnte nicht umhin zu bemerken, dass schon der bloße Gedanke etwas Befreiendes hatte, aber zeigen durfte er das natürlich nicht. »Ihr seid ein Narr, König Olin. Er ist die Sonne an unserem Himmel. Jeder Xixier dankt täglich dem Nushash für die Gesundheit unseres Autarchen.«
»Während ihr gleichzeitig Pläne für den Moment schmiedet, da jemand schließlich schafft, was ich nicht geschafft habe. Apropos, wie geht es dem Scotarchen?«
Einen Moment glaubte Vash, sein altes Herz würde zerplatzen wie ein Ei. Sein Blick huschte hektisch nach allen Seiten, aber außer Olins Wachen war niemand in Hörweite. Trotzdem, wer wusste schon, ob der Nordländerkönig in seinem Zorn nicht irgendwann solch tödlichen Unsinn vor dem Goldenen von sich geben würde. In seiner Todesangst erwog der Oberste Minister Vash ernsthaft, ob er den Gefangenen des Autarchen unbemerkt töten könnte.
»Habt Ihr mit ihm gesprochen, wie ich Euch geraten habe?«, hakte Olin nach.
Den Fluch aller Götter über diesen Mann! Diese Penetranz war doch wahnsinnig! »Unterlasst es, auch nur mit mir zu sprechen, Majestät. Wollt Ihr erreichen, dass mein Gebieter mir misstraut? Das wird nicht klappen. Er weiß, dass ich ihm absolut ergeben bin.«
»Das kann nicht sein.« Olin lächelte jetzt. Er war stolz auf sein Lächeln: Die Wachen hatten ihm einen Zahn ausgeschlagen. »Dafür seid Ihr viel zu klug, Vash. Warum sollte jemand, der es geschafft hat, so lange zu leben wie Ihr, sein Schicksal an das eines Irren wie Sulepis ketten?
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