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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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der ebenso unüberbrückbaren Entfernung zwischen ihm und der Frau, die er liebte. Mit jedem Tag wurde Vansen klarer, dass es verrückt gewesen war, auch nur anzunehmen, er und die Prinzessin lebten in derselben Welt.
    »Lasst Eure Herrin einfach nur wissen«, sagte er, »dass meine Leute die Geduld verlieren. Dass alle die Geduld verlieren. Und dass sie außerdem Angst haben.«
    »Oh, glaubt mir, Hauptmann.« Aesi'uah lächelte — jedenfalls war er bisher davon ausgegangen, dass es ein Lächeln war, weil es so aussah und auch in vielem dieselbe Funktion zu erfüllen schien wie das Lächeln einer normalen Frau, wenngleich nicht immer. »Das weiß meine Herrin bereits.«

    »Aber, Opalia ...!«
    Sie fixierte ihn mit einem Blick, der Granit hätte spalten können. Alle Lauchstein-Frauen hatten diesen Blick. »Untersteh dich. Es sollten Frauen dabei sein, und es
werden
Frauen dabei sein. Bei den Alten der Erde, ihr
Heerführer
ist eine Frau.«
    »Ganz recht? Und laut Vansen hat sie das Blut eines Gottes in den Adern und ein Gemüt wie eine in die Enge getriebene Ratte. Sie hat Großwüchsige zu Hunderten getötet ...«
    Wieder bedachte ihn seine Frau mit diesem steinspaltenden Blick. »Ich habe ja nicht vor, zum Schwert zu greifen und gegen sie zu kämpfen, alter Narr. Wir heißen sie
willkommen.
Sie sind jetzt unsere Verbündeten.«
    »Noch nicht.« Er wusste, er stand auf verlorenem Posten, konnte sich aber doch nicht einen letzten Versuch verkneifen, die Dinge wenigstens etwas geradezurücken. »Wir hoffen, dass wir Verbündete werden. Falls du's vergessen hast, das ist so eine Art Verhandlungstreffen. Es ist nicht gewährleistet, dass sie nicht plötzlich ihre Meinung ändern und uns allen die Kehle durchschneiden — wie sie es vor ein paar Tagen noch versucht haben.«
    »Ein Grund mehr, ein paar vernünftige Funderlingsfrauen dabeizuhaben«, sagte sie mit Genugtuung. »Das verringert die Wahrscheinlichkeit, dass Jaspis oder irgendein anderer Schwachkopf neuen Streit vom Zaun bricht.« Sie nickte. »Jetzt muss ich los. Vermillona Zinnober hat ein Treffen aller Frauen in der Tempelbibliothek angesetzt, ehe die Qar kommen.«
    »In der Bibliothek? Oh, das wird den Brüdern gefallen?«
    »Die Metamorphose-Brüder bestimmen schon viel zu lange, wie was zu sein hat, und die Zunft auch. Das hat ja mit dazu geführt, dass wir jetzt auf diesem Felsrutsch bergab sausen. Unglaublich — keinem zu sagen, dass die Qar seit Jahren hierherkommen!«
    »Was? Woher weißt du das?«
    »Vermillona Zinnober hat's uns erzählt. Sie hat es natürlich von ihrem Mann gehört.«
    »Aus ihm rausgeprügelt wohl eher.« Chert musste lachen. Ganz offensichtlich würden die Dinge ihren Lauf nehmen, ob es ihm passte oder nicht. Lieber auf dem Felsbrocken sein, wenn er ins Rollen kam, als darunter. Er deutete auf den Jungen, der in einem unzivilisierten Deckenhaufen auf dem Fußboden schlief »Und was ist mit Flint?«
    Sie sah plötzlich bedrückt drein. »Ich wollte ihn mitnehmen, aber er sagt, er will lieber mit dir gehen.«
    Sie tat Chert leid. »Er wird groß. Er will bei den Männern sein ...«
    »Das ist es doch nicht, was mir zu schaffen macht, du alter Narr. Er hat sich verändert. Ist dir das nicht aufgefallen?«
    »Doch, natürlich. Aber er war doch immer schon ... ungewöhnlich ...«
    »Das meine ich nicht. Es ist etwas anderes ... etwas Neues. Ich kann es nicht ...« Sie stöhnte frustriert. »Ich kann es nicht ausdrücken. Aber es gefällt mir nicht.« Jetzt erst merkte er, wie beunruhigt und besorgt seine Frau wirklich war. »Es gefällt mir gar nicht, Chert.«
    Er trat auf sie zu, nahm sie in die Arme und küsste sie auf die Stirn. »Mir auch nicht, meine Liebe, aber wir werden dahinterkommen. Du hast mir gefehlt, weißt du das?«
    »Dir hat gefehlt, dass ich hinter dir herräume«, sagte sie schroff, machte sich aber nicht von ihm los.
    »O ja«, sagte er. Er roch ihr Haar und wünschte sich, es könnte einfach so bleiben: dass sie hier standen, eng beisammen, und alles Schlimme noch nicht eingetreten war. »Das auch.«

    »Wie seht Ihr's, Hauptmann?«, fragte Schlegel Jaspis Vansen, als sie sich an den Tisch setzten. »Sprechen sie unsere Sprache, oder brabbeln sie alle nur unverständliches Zeug, bis auf dieses silberhaarige Weibsbild da?«
    »Sie ist kein ›Weibsbild‹, Jaspis, sie ist eine hochrangige Ratgeberin der Fürstin Yasammez und selbst eine mächtige Person.«
    Der kahlköpfige Funderling sah ihn skeptisch an. »Wie

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