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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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wir uns dieser Tage nicht alle liebend gern langweilen, Frau Ma ... Vermillona.« Er drückte Opalia noch einmal und ging dann wieder zu Zinnober und den anderen.
    »Mein Chert ist ein braver Mann«, sagte Opalia so jäh und nachdrücklich, als könnte gerade jemand ansetzen, etwas anderes zu behaupten. »Er tut alles nur für andere.«
    Ehe Vansen ihr sagen konnte, dass er da voll und ganz ihrer Meinung sei, ging eine Unruhe durch die Kapelle — ein alarmiertes Aufmerken, das Vansen erreichte, ehe er etwas hörte oder sah, ein urtümlicher Warnschauer, der ihm die Wirbelsäule hinauflief. Er drehte sich um und sah zuerst nur Aesi'uah in der Tür — eine mächtige, faszinierende Figur zweifellos, aber doch eine Person, für die er fast schon so etwas wie Zuneigung empfand. Die anderen folgten ihr schweigend.
    Es war nicht das ganze verblüffende Spektrum an Qar-Arten, doch selbst diese kleine Gesandtschaft war so vielgestaltig, dass alle, die so etwas noch nicht gesehen hatten — also etwa drei Viertel der Anwesenden —, erbleichten, blinzelten und ungläubige Laute ausstießen. Am furchterregendsten war die gigantische Kreatur namens Hammerfuß, ein Kriegshauptmann der Tiefenettins, größer und schwerer als der gewaltigste Höhlenbär. Die vorspringenden Brauenknochen verschatteten sein Gesicht so völlig, dass seine Augen nur zwei glühende Kohlen tief im Dunkeln waren. Er war in Felle gehüllt und trug einen Panzer aus Steinplatten, zusammengehalten von dicken Lederriemen, und jede seiner zweifingrigen Hände war so breit wie ein Funderlingsschild. Der Riese begab sich auf die andere Seite des Tischs und setzte sich dort auf den Fußboden, wobei er beinah den Tisch umwarf, als er mit der mächtigen Brust dagegenstieß.
    Er war der größte unter den hereinkommenden Qar, doch mitnichten der sonderbarste. Vansen hatte alle diese Gestalten schon gesehen — und sogar noch mehr —, aber gewöhnt hatte er sich immer noch nicht an sie. Jetzt kam der, den sie Grünhäher nannten und der aussah wie eine Kreuzung zwischen einem exotischen Vogel und einem kostümierten Zosimia-Narren. Einige andere sahen fast aus wie Menschen; dass sie keine waren, verriet nur ihre Schädelform oder ihre Hautfarbe — Vansen kannte kein Menschenwesen, dessen Haut einen Lavendel- oder Mooston hatte. Andere wie etwa die Elementargeister waren nur insofern menschenähnlich, als sie einen Kopf und vier Gliedmaßen besaßen: Vansen hatte ihre unbekleideten Feuergestalten im Lager der Qar gesehen und sah sie immer noch in seinen Träumen, aber die beiden hier anwesenden hatten sich diskret in lange Gewänder gehüllt, sodass man nicht sah, was darunter glomm.
    Ob gebeugt oder aufrecht, groß oder klein, die Qar defilierten zur anderen Seite des Tischs, so phantastisch in ihrer Vielfalt wie die Bestiarien, die man, sorgsam gemalt, auf den Seitenrändern alter Bücher fand. Das Einzige, was ihnen allen gemeinsam schien, war ihre konzentrierte Wachsamkeit: Als sie ihre Plätze einnahmen, sprachen sie nicht miteinander, sondern blickten unverwandt auf die versammelten Funderlinge und deren Gäste.
    Und dann, endlich, betrat Yasammez selbst die Kapelle, groß und stumm, die schwarze Rüstung und der seltsame Mantel wie eine Wolke von dunklem Nebel. Ohne nach rechts oder links zu schauen, obgleich sie alle Blicke anzog wie ein Magnet, ging sie langsam zu ihrem Platz auf der anderen Tischseite. Sie ließ sich in der Mitte ihrer Leute nieder.
    Nach einigem Schweigen sprach Yasammez, und ihre Stimme war so gravitätisch und schwermütig wie eine Beerdigungsglocke. »Dieser Kampf ist bereits verloren. Das müsst ihr wissen, ehe wir beginnen.«
    Eine Stimme erhob sich über das Protestgemurmel — Zinnober Quecksilber. »Bei allem Respekt, Fürstin Yasammez, was soll das heißen? Wenn es keine Siegeschance gibt, warum sind wir dann hier, statt zu Hause unseren Frieden mit den Göttern zu machen?«
    »Ich kann nicht für Euch sprechen, Tiefengräber«, beschied sie ihn. »Aber so mache
ich
meinen Frieden mit den Göttern.«
    Ferras Vansen konnte nur hilflos zusehen, wie im Raum Konfusion ausbrach. Er hatte sich so bemüht, beide Seiten an einen Tisch zu bringen, und jetzt zerschmetterte die Arroganz der Qarführerin das Bündnis, ehe es überhaupt zustande gekommen war.
    »Halt!« Er hatte gar nicht gemerkt, dass er aufgestanden war. »Funderlinge, es ist töricht von euch, mit diesen Leuten zu streiten, deren Leiden unser aller Vorstellung

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