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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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langer Zeit der Sonnengott. Sie tötete andere Götter.« Sie nickte. »Langbart selbst fiel unter diesem Schwert, und er galt als der größte Krieger des Himmels. Wir werden sehen, ob die Klinge noch für einen letzten Kampf taugt — ob sie noch einmal das Blut eines Unsterblichen zu vergießen vermag. Ein Jammer, dass ich nicht auch die Kraft des Sonnengottes habe.«
    Sie wandte sich Aesi'uah zu. »Komm näher.« Yasammez beugte sich vor, und zu Aesi'uahs Erstaunen küsste sie sie sachte auf die Stirn. »Du warst mir eine gute Dienerin, Aesi'uah — eine der besten in all meinen ungezählten Jahren. Ich hoffe, wenn du den Tod findest, wird es ein sanfter sein. Wenn meine Vielmals-Großtochter über die Stunde hinaus lebt, sag ihr, das Volk ist heute würdig gestorben. Ich hätte mir nichts Besseres erhoffen können.« Yasammez wandte sich ab und ging den steinigen Hang zu dem silbernen Meer hinab, das jetzt von den Flammen des Trickstergottes zu dampfen begann; nach wenigen Schritten blieb sie stehen und drehte sich um. »Wenn das Menschenkind noch lebt und du ihm begegnest, sag ihm, ich hätte seiner Worte gedacht. Ich hätte beschlossen, sein Volk ebenso wie das meine sein Ende selbst finden zu lassen. Ich hoffe, er versteht, welche Bürde er jetzt zu tragen hat.«
    Und dann schritt Krummlings Tochter weiter hinab zu dem dampfenden, silbernen Meer, dem Gott entgegen, dem sie schon einmal gegenübergestanden und den nie wiederzusehen sie gehofft hatte. Ihre Erscheinung dehnte sich aus, brodelnd, dunkel und grimmig wie eine Gewitterwolke, ein kleiner tintiger Fleck vor immer gewaltigeren Flammen.

    Giebelgaup purzelte wild durch die Luft, und in diesem Moment wusste er, dass er versagt hatte: Selbst wenn er durch ein Wunder auf den schmalen Pfad fiel und nicht in den tiefsten Abgrund, selbst wenn er die Knochenbrüche überlebte — er würde niemals bis zum Camp der Funderlinge kommen.
    Doch dann fing ihn etwas auf.
    Es faltete sich um ihn, weich und warm, aber fest, und im ersten Moment glaubte er, es sei wieder die Eule, die ihn angegriffen hatte — etwas anderes kam ja nicht infrage. Doch im nächsten Moment wurde er hoch emporgehoben, die Hand, die ihn hielt, öffnete sich, und er blickte ins schwache Licht einer Funderlingskoralle, die in einer Lampe am Kopf der hellhaarigen Gestalt leuchtete.
    »Hallo, Giebelgaup«, sagte Flint. »Hab mir gedacht, dass ich Euch hier finde.«
    Giebelgaup konnte dieses bekannte Gesicht nur ungläubig anstarren. »Aber ... Cherts Sohn? Wie kommst du hierher?«
    »Ich hatte so ein Gefühl, dass ich hier sein sollte«, sagte der Junge. »Und es war richtig — der Trickstergott hat geahnt, was Euer Auftrag ist, und hat die Eule ausgeschickt, Euch abzufangen. Aber jetzt ist keine Zeit zum Reden. Ihr müsst weiter — schnell! Bruder Antimon wartet.«
    Giebelgaup fragte sich, ob er vielleicht in Wirklichkeit ohnmächtig oder gar tot irgendwo lag und dies alles nur träumte. »Kann nicht. Komm nicht hin. Hat mein Reittier getötet, selbge Eule.«
    Flint hob die andere Hand in den Schein der Korallenlampe und öffnete die Finger: Da lag ein braunes, pelziges Häufchen — Mockel. Erschrocken versuchte die Flattermaus, die Flügel zu entfalten, um zu flüchten, aber Flint schloss die Finger behutsam wieder um sie. »Nein«, sagte er. »Ich hab sie auch aufgefangen.«
    Giebelgaup konnte nicht anders — er lachte laut auf. »Was ist das für ein Wunder? Eins, das der Herr des Höchsten Punkts gewirkt hat, wie seit den alten Zeiten nimmer?«
    »Vielleicht«, sagte Flint. »Bin mir nicht sicher. Aber Ihr müsst jetzt los.«
    »Die Eule ...?«
    »Ist weg. Als sie Euch aus der Luft geschlagen hatte, war ihre Aufgabe getan. Jetzt ist sie entlassen. Ich glaub nicht, dass Ihr sie noch einmal wiederseht.«
    »Dann hilf mir jetzt auf selbge Flattermaus. Eines Tags, Cherts Sohn, bist du vielleicht so gut und erklärst mir das alles.«
    »Vielleicht.« Flint nickte bedächtig. »Aber das ist etwas, das ich nicht sehen kann.«
    Mockel war sichtlich schwach, aber mit Giebelgaup im Sattel und ohne die Eule schien sie willens, einen Flugversuch zu unternehmen. »Ich sollt wohl langsam machen«, sagte Giebelgaup. »Sie kann kaum noch Luft schaufeln.«
    »Nicht zu langsam«, sagte Flint und schickte sich an, Flattermaus und Reiter wieder in die Luft zu werfen. »Viele zählen auf Euch. Und wenn Ihr Mama Opalia seht, sagt ihr, sie soll nicht auf mich warten — sie muss mit den anderen gehen. Aber

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