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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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weit vor ihnen war, ritten Vansen und Briony in Begleitung der schweigenden Garden zur Burg zurück.
    Die Prinzessin und der Gardehauptmann hatten sich auf dem Rückweg auch nicht viel zu sagen. Vansen traute Worten schon im Normalfall nicht besonders, und jetzt fiel ihm überhaupt keins ein, das erfasst hätte, was er fühlte. Briony war so weit weg, wie er sie kaum je gesehen hatte.
    Diese »fröhliche« Stimmung wurde nur noch verstärkt, als sie am Dammweg ein weiteres Kontingent Garden empfing, die Eskorte eines königlichen Boten, der nur kurz mit dem Knie den Boden berührte, ehe er aufsprang und Briony einen versiegelten Brief von Steffans Nynor reichte.
    »Barmherzige Zoria«, sagte sie, als sie ihn las, »oder wer auch immer jetzt zuständig ist — sei mit uns!«
    »Was ist?« Die Beunruhigung in ihrem Gesicht gefiel Vansen gar nicht, aber schlimmer noch waren der Schmerz und die Erschöpfung, die er da sah.
    »Anissa, meine Stiefmutter«, sagte Briony und blickte die hohen Burgmauern hinauf. »Sie ist aus ihrem Turmfenster gefallen — oder gesprungen. Sie ist tot.«

53

Schattenspieler
    »... Und die Götter haben ihm ein Paar wunderschöne goldene Arme geschenkt, als Ersatz für seine eigenen Arme, die ja die Sonne verbrannt hatte. Aus Tessideme, dem Dorf, das den Waisenknaben aufgenommen und verehrt hatte, wurde die große Stadt Tessis, das Zentrum und Herz unseres Trigonatsglaubens auf Erden. Heute lebt dort der Trigonarch selbst ...«
    Der Waisenknabe, sein Leben und Sterben und himmlischer Lohn — ein Buch für Kinder
    »Ihr könnt von Glück sagen, dass ich Euch nicht in Eisen habe vor mich bringen lassen«, erklärte ihm Briony, die Fäuste so fest geballt, dass ihre Knöchel weiß waren. »Wie könnt Ihr es wagen!«
    Dawet dan-Faar zog eine Augenbraue hoch. »Wie kann ich was wagen, Prinzessin?«
    »Das wisst Ihr genau, Schurke! Während ich nicht in der Burg war, seid Ihr in den Frühlingsturm gegangen. Anissa stürzte zu Tode, während Ihr bei ihr wart. Haltet Ihr mich für so dumm, Dawet? Ihr habt mir doch praktisch selbst gesagt, Anissa müsse ermordet werden?«
    Er lächelte. »In meiner Erinnerung habe ich zu bedenken gegeben, dass es gefährlich für Euch wäre, eine solche Person am Leben zu lassen. Mir war nicht bewusst, dass man einen Menschen mit Worten töten kann.«
    »Ihr wart dort! Ihr wart bei ihr, als sie starb — Ihr habt sie aus dem Fenster gestoßen!«
    Dawet sah sie mit schiefgelegtem Kopf an; seine braunen Augen waren so groß und unschuldig wie die eines Rehkitzes. »Was bringt Euch dazu, so etwas Schreckliches zu sagen, Hoheit?«
    »Ihr wurdet beim Betreten des Frühlingsturms gesehen. Einer der Wachsoldaten hatte sich entfernt — zweifellos aufgrund eines Ablenkungsmanövers von Euch —, aber als er zurückkam, sah er Euch hineingehen.«
    Er schüttelte tadelnd den Kopf. »Er hat einen Eindringling gesehen und ihn nicht angesprochen? Ihn nicht aufzuhalten versucht? Ist Euch noch gar nicht der Gedanke gekommen, dass dieser Mann sein eigenes Versagen zu überspielen versucht, Prinzessin?«
    »Er hat
Euch
gesehen? Er hat nichts unternommen, weil er wusste, dass Ihr ein enger Vertrauter der königlichen Familie seid.«
    »Er hat sich nachweislich getäuscht, Prinzessin. Ich war nicht einmal in der Nähe des Turms. Mehrere Leute können beschwören, dass ich mit ihnen Pikett gespielt habe, in einer kleinen Schänke in der Nähe der Westlagune, die kürzlich wiedereröffnet wurde.«
    »Einer Spielhölle«, sagte sie.
    »Wenn Ihr so wollt.« Er verneigte sich leicht. »Den Formen des Zeitvertreibs, die dort gepflegt werden, wohnt in der Tat ein gewisses Wagnismoment inne ...«
    »Genug! Ich habe Euch selbst in Euren unaufrichtigsten Momenten immer für einen aufrechten Mann gehalten, Dawet. Warum lügt Ihr mich jetzt an? Und warum habt Ihr getan, wovon Ihr wusstet, dass es mir schon als Gedanke unerträglich war — diese arme dumme Frau zu töten?«
    »Diese arme dumme Frau war an der Ermordung Eures Bruders beteiligt.« Dawets Stimme war jetzt plötzlich hart und ernst. »In künftigen Tagen wäre sie für Euch zur Gefahr geworden. Und was das Lügen angeht — Prinzessin, warum würde ich lügen? Ich kann mir nur einen Grund denken, warum Euch jemand, der Euch gern hat und Euch helfen möchte, belügen würde — damit Ihr so regieren könnt, wie Ihr es müsst, mit reinem Gewissen. Weil Ihr, Briony Eddon, keine Mörderin seid.«
    Sie starrte ihn eine ganze Weile stumm

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