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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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sie noch wusste. »Gewiss, Meister Kettelsmit.«
    Er lächelte erleichtert. »Tja, ich habe mir gedacht, ich schreibe es vielleicht weiter. Aber dann habe ich gedacht — also, ich habe über das Gedicht nachgedacht. Und da habe ich gedacht, dass ich kein Gedicht über Euch machen kann, in dem nichts über ... nun ja, über alles das vorkommt, was passiert ist. Hier und als Ihr in Syan wart. Ich habe Leute gefragt. Habe versucht, die Wahrheit herauszufinden.«
    »Ich beantworte Euch gern Eure Fragen, Matty«, sagte sie freundlich. »Aber nicht heute Abend. Heute Abend wird gefeiert.«
    »Ich weiß!« Er wedelte mit den Händen, als hätte man ihn des Diebstahls beschuldigt. »Aber ich habe nachgedacht und nachgedacht, und da ist mir aufgegangen, dass die ganze Sache ... nun ja, von Anfang an wie eins von Finns oder Nevins Theaterstücken war.«
    »Ich bin mir nicht sicher, ob ich das recht verstehe.« Sie sah zu Vansen und Teodorus hinüber, die immer noch miteinander redeten wie dicke Freunde — oder hatte Finn schlicht ein Auge auf ihren Gardehauptmann geworfen? Verdenken könnte sie es ihm nicht. »Wie ein Theaterstück?«
    »Alles daran. Wie ein Puppenspiel. Jemand steckte hinter allem, was wir gesehen haben. Nach dem, was man mir erzählt hat« — er verzog das Gesicht vor Anstrengung, es richtig zusammenzubekommen —, »nach dem, was man mir erzählt hat, steckte hinter allem Zosim, der so tat, als wäre er Kernios. Aber Hendon Tolly hielt ihn für jemand anders, für eine Göttin — manchmal schien er zu glauben, es wäre Zoria selbst? Aber es war die ganze Zeit Zosim, nur in verschiedener Kostümierung, versteht Ihr? Wie ein Schauspieler?«
    »Nun ja ...«
    »Alles wie ein Theaterstück. Ihr wart eine Prinzessin, aber verkleidet, wie in so vielen Geschichten. Der Schurke des Stücks hielt sich im Dunkeln und spannte andere für sich ein, so wie diesen Südländerkönig, den Autarchen. Das ist auch wie in einem von Kennits Stücken. Aber was mich dann stutzig gemacht hat, das war, als ich mich gefragt habe, aber wenn Zosim hinter allem steckte und er am Ende selbst geschlagen wurde ... wer hat das dann getan?«
    Briony, nach mehreren Bechern Perikaleser selbst nicht mehr ganz auf der Höhe, konnte nur den Kopf schütteln. »Wer hat
was
getan?«
    »Zosim geschlagen. Ihn überlistet und besiegt.«
    »Nun ja, der Knabe Flint, von dem ich Euch vorhin erzählt habe ... er behauptet, dass in ihm ein Teil von Krummling weiterlebt ...«
    »Genau!«, rief Kettelsmit laut und wurde dann rot. »Jawohl, Hoheit. Und als Ihr das erzählt habt, bin ich richtig ins Nachdenken gekommen. Ihr kennt doch die Geschichten aus den alten Zeiten, wie Kupilas Kernios und Zosim geschlagen hat, und zwar genau hier!« Er runzelte die Stirn. »Ich meine, drunten unter der Erde. Die kennt Ihr doch, oder?«
    »Ich habe im letzten Jahr viele Geschichten gehört. Aber ja, ich weiß, was Kupilas angeblich mit Kernios und Zosim und den übrigen gemacht hat.«
    »Aber wer war da noch die ganze Zeit? Wer war noch dabei, als das alles geschah?«
    Briony fragte sich allmählich, ob es Zeit war, die Festivitäten zu beenden. »Ich weiß nicht, Meister Kettelsmit. Wer?«
    Er lächelte triumphierend, und seine Wangen glühten. »Zoria — Zoria die Blume der Morgenröte. Sie war dabei. Kernios erschlug sie, weil sie ihn verraten hatte — so heißt es in den Geschichten. Aber wenn sie nun gar nicht tot war? So wie auch Zosim nicht tot war? Wenn sie nun weiterlebte, dort in ... wo auch immer?«
    Sie sah ihn an und begriff, dass er nicht ganz so betrunken war wie er aussah. »Das ist ... das ist ein faszinierender Gedanke, Meister Kettelsmit ...«
    »Es war ja Euer Zoriengebetbuch, das mich davor bewahrt hat, von Eurem Bogenschützen getötet zu werden.« Er sprach die Worte bedächtig und konzentriert und lächelte, als er den Satz erfolgreich bewältigt hatte. »Es steckte über meinem Herzen und hat den Pfeil aufgehalten. Die Hand Zoriens. Euer Gebetbuch. Versteht Ihr?«
    Briony wusste nicht, was sagen. »Nun ja ...«
    »Gut. Eine letzte Frage noch, Prinzessin. Ich habe gehört, Ihr errichtet der Waldgöttin Lisiya einen Schrein. Darf ich fragen, warum?«
    »Halbgöttin. Weil ... weil ich versprochen habe, ihr einen zu errichten, wenn ich überleben würde. Mehr möchte ich dazu nicht sagen. Warum fragt Ihr?«
    Er nickte. »Darf ich Euch etwas zeigen, was ich in einem Buch gefunden habe?« Er griff in die Tasche, zog ein schmales Bändchen heraus

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