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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Ihr in Zukunft sehr viel zu tun haben werdet. Zu viel, um einem Kind eine richtige Mutter zu sein. Wollt Ihr, dass der jüngste Sohn Eures Vaters, der eines Tages entweder Euer Erbe oder aber Euer größter Feind sein wird, von Bediensteten aufgezogen wird, die Ihr kaum kennt?«
    »Aber ... wie ... warum ...?« Vansen sah mit Staunen, wie die junge Frau, die in ein, zwei Tagzehnten zur Königin der gesamten Markenlande gekrönt werden würde, durch die Argumente eines flachsköpfigen Kindes ins Stammeln geriet.
    »Um den Dingen Gestalt zu geben«, erklärte Flint. »Das gehört zu dem, was Götter machen. Sie geben den Geschichten der Menschen Gestalt. Jetzt muss ich gehen, wenn ihr mich lasst. Papa Chert? Du hast mir mal das Versprechen abgenommen, nicht vor Ablauf von fünf Jahren wegzugehen. So lange kann ich nicht warten.«
    Chert hob hilflos die Hände. »Ich kann doch nicht auf ein Versprechen pochen, das ich dir abverlangt habe, als ich noch nicht alles wusste. Natürlich bist du entbunden ...«
    »Nein! Geh nicht! Es wird bald dunkel!«, jammerte Opalia.
    »Mama Opalia, glaubst du wirklich, ich fürchte mich vor der Dunkelheit?« Der Junge sah sie streng an. »Selbst wenn ich erst so alt wäre, wie ich aussehe, wären es doch mindestens zehn Sommer!« Dann ging er zu ihr, umarmte sie und hielt sie ganz fest. Chert umarmte sie beide, und alle drei flüsterten miteinander, die Köpfe zusammengesteckt; Chert und seine Frau hatten Tränen in den Augen.
    »Eure anderen Gäste sind da, Briony Eddon«, sagte Jung-Flint schließlich und machte sich los. »Ich höre sie.«
    Vansen kam nur kurz dazu, über die Tatsache nachzusinnen, dass er nichts gehört hatte, ehe ihn von draußen einer seiner Wachposten rief. Er beugte sich aus dem Zelt.
    »Eine große Kolonne kommt die Straße entlang«, meldete der Soldat. »Ich glaube, es sind die Qar.«
    »Sie sind's«, sagte Flint. »Ich lasse Euch jetzt mit ihnen allein. Lebt wohl!«
    Die Sonne war hinter den Hügeln versunken, doch während vor Brionys Zelt ein helles Feuer loderte — und Ferras Vansen und den Garden, die dort auf sie warteten, zweifellos den Mut stärkte —, hatten die Qar keine Feuer entzündet und keine Zelte errichtet. Sie warteten zu Hunderten lautlos neben der Straße, während ihr Anführer mit der Herrin der Sterblichenburg sprach, die sie beinah verwüstet hätten.
    Die Herrin der Burg war zugleich die Schwester ihres Anführers, eine Tatsache, derer sich Barrick Eddon jetzt erstmals seit sehr langer Zeit zu entsinnen schien.
    »Es tut mir leid«, sagte er, als sie langsam die Straße entlanggingen, ihren Pflichten für den Moment den Rücken kehrend. Seine verkrüppelte Hand, die bei ihrer letzten Begegnung völlig geheilt gewirkt hatte, war jetzt fest zusammengekrampft, und er hielt sie, als ob sie ihm wieder wehtäte. »Inzwischen ist mir klar, dass ich durch alles, was geschehen ist, in gewisser Weise blind war. Ich hatte unrecht, Briony — wir haben viel miteinander zu reden, aber jetzt ist dafür keine Zeit.«
    »Was redest du da? Wir haben alle Zeit der Welt. Der Krieg ist vorbei, Barrick. Es gibt nichts mehr zu tun, außer Südmark wieder aufzubauen, und glaub mir, das ist Arbeit genug. Bleib hier und hilf uns. Soll ich dich anbetteln?«
    Er sah sie einen Moment an, schüttelte dann langsam den Kopf »Verflucht, Barrick!«, sagte sie wütend. »Kannst du nicht ein Mal jemanden an dich heranlassen?«
    »Darum geht es nicht«, sagte er. »Wir haben nicht genug Zeit, weil wir nicht mehr dieselbe Sprache sprechen, Briony. Ich habe etwas von dem wiedergefunden, was ich verloren hatte — etwas von dem, was ich an diesem Ort und an dir geliebt habe —, aber damit wir wirklich miteinander reden könnten, müsste ich dir alles erzählen, was mir in der Zeit, die wir getrennt waren, widerfahren ist, und du müsstest es umgekehrt ebenso machen, damit ich verstehen könnte, was du denkst und sagst. Wir sind jetzt ... verschieden.« Er zog den Kopf ein, als wäre ihm kalt, obwohl der frühe Abend lau war und sie bezweifelte, dass Barrick Kälte überhaupt noch groß spürte. »Und ich muss wirklich gehen, Briony. Wenn ich hierbleibe, stirbt Qinnitan mit Sicherheit.« Er führte seine Schwester von der Straße weg und durch die Qar am Rand des wartenden Heerhaufens, die ihr mit dem misstrauischen Blick von Tieren nachsahen. »In Qul-na-Qar kann ich sie vielleicht retten oder wenigstens lernen, sie so nah bei den Lebenden zu halten, dass ich sie eines

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