Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
Vom Netzwerk:
den Qar-Haufen weiter oben am Hang gefeuert, was diese Angreifer auseinandertrieb und in die Flucht schlug, nachdem eben noch die Kaufleute und Söldner der Vernichtung ins Auge geblickt hatten.
    Und da, gerade als den Qar nichts mehr zu bleiben schien als Flucht oder Kapitulation, erschien auf der Straße, wie aus dem Nichts, eine Gestalt auf einem mächtigen grauen Ross. Die Zwielichtler fielen zurück und bildeten einen Halbkreis um diesen gepanzerten Krieger, der zwar nicht annähernd so gewaltig war wie der keulenschwingende Riese, aber immer noch größer als jeder Mensch. Seine Rüstung war von einem stumpfen Bleigrau, sein Gesicht von einem rußigen Schwarz — nicht auf die Art schwarz wie die Haut von Shaso oder Dawet oder anderen Menschen vom Südkontinent, denen Briony begegnet war, sondern schwarz wie etwas Verbranntes, wie Holzkohle oder ein Schüreisen. Die Augen der Kreatur aber waren leuchtend gelb, wie Bernstein vielleicht, den man vor eine Flamme hält, und die Gestalt hielt eine Waffe mit einer exotischen Klinge auf der einen Seite und einem spitzen Dorn auf der anderen — eindeutig zum Durchbohren von Rüstungen gedacht und noch beängstigender, wenn Briony an das leichte Kettenhemd dachte, das Eneas trug.
    Es war Eneas hoch anzurechnen, dass er ohne Zögern auf den Ankömmling zusprengte, als er merkte, dass sich die Qar um ihn sammelten und der eben noch sicher geglaubte Sieg über die Zwielichtler zu entgleiten drohte. Ein Pfeilhagel kam von der Anhöhe herab; Eneas' Männer schrien empört zu den Söldnern hinauf, denn deren Pfeile schienen ebenso Syanesen wie Qar zu gelten.
    Die schwarzgesichtige Kreatur preschte auf Eneas los und schwang die Axt in wilden Kreisen überm Kopf.
    »Akutrir!«, skandierten die übrigen Qar — der Name der Kreatur, nahm Briony an. »Akutrir saruu!«
    Eneas und der Elbenkrieger trafen in der Mitte der Straße aufeinander, und Menschen und Qar sprangen auseinander wie aufgestörte Grashüpfer auf einer Sommerwiese. Der spitze Dorn der Zwielichtleraxt drang in Eneas' Schild, durchbohrte den aufgemalten weißen Hund, und eine gefühlte Ewigkeit konnten sich beide Kämpfer nicht wieder voneinander lösen. Eneas zerrte an seinem Schild und hieb mit dem Schwert auf den Griff von Akutrirs Waffe ein. Der grinsende Mund des Zwielichtlers war riesig — sein dunkles Gesicht schien nur aus Zähnen und gelbglimmenden Augen zu bestehen, wie eine Kerneia-Maske. Das verwunderte Staunen über all das Fremdartige, das Briony zunächst abgelenkt hatte, war verflogen: Jetzt hatte sie nur noch Angst. Das hier war keine alte Sage oder Geschichte aus dem Buch des Trigon. Obwohl sie mit aller Inbrunst zu Zoria betete und sogar zu den Trigon-Brüdern, trat keine göttliche Gestalt dazwischen, um sie und die Syanesen zu retten. Es bestand die Gefahr, dass sie alle hier an dieser abgelegenen Straße starben, dahingemetzelt von den feindlichen Qar.
    Was zunächst wie ein Zweikampf ausgesehen hatte, war keiner — die Zwielichtler rings um Eneas stießen mit kurzen Speeren nach ihm, während er Akutrirs Hiebe mit eigenen Schwertstreichen parierte. Die Männer des Prinzen sprengten herbei, um Eneas gegen die Übermacht beizustehen, und alles verschwand in einem Wirbel aus blitzenden Klingen und Straßenstaub. Da war nur noch eine graue Wolke, die in der Morgensonne funkelte.
    Und dann, so plötzlich, wie es begonnen hatte, war es vorbei. Der großgewachsene Zwielichtlerführer und die übrigen Qar flohen ostwärts, während die Menschen auf der Anhöhe, die noch vor einer Stunde einen schier aussichtslosen Kampf um ihr Leben geführt hatten, johlten und jubelten. Einige kamen sogar herabgerannt, um den zurückweichenden Qar nachzusetzen, aber die Zwielichtler schienen förmlich von dem Wald am Ende des Tals aufgesogen zu werden.
    Die Kaufleute und ihre Söldner mochten ja triumphieren, aber die Tempelhunde hatten nicht wenige Männer verloren und waren nicht in Jubelstimmung. Beim Anblick ihrer düsteren Gesichter, als sie die Toten bargen, hätte Briony sich am liebsten abgewandt, aber sie zwang sich stehenzubleiben und zuzusehen, wie die Leichen auf eine Wiese neben der Straße getragen wurden. Soldaten des Prinzen machten sich daran, die nötigen Gräber auszuheben.
    Jetzt sind auch noch diese syanesischen Männer für meine Sache gestorben, hielt Briony sich vor. Eneas' Kameraden und Waffenbrüder. Das ist eine Schuld, die ich nie tilgen kann.

8

Und all seine flinken Fische
    »...

Weitere Kostenlose Bücher