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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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ein zweites Mal untätig auf der Klinke verharren.
    »... Mein Kind? Ja, er ist mein Kind, Brone. Aber er ist auch Euer Kind. Ihr habt nie die Verantwortung für Euer Tun übernommen ...«
    Utta erstarrte. Das verschollene Kind, das nach all den Jahren plötzlich Merolannas ganzes Denken beherrschte ... war von Brone?
    »Mein
Tun? Bei allem Respekt, Merolanna, Ihr wart die Ältere, und ich war noch feucht hinter den Ohren. Nennt man das nicht Verführung? Und ich habe Euch mit Geld geholfen, habe für Euch die Frau gefunden, die bereit war, für ihn zu sorgen ...«
    »Ja, die Frau, die ihn sich von den Zwielichtlern hat rauben lassen?« Merolanna war den Tränen nahe — Utta hörte es an der Stimme der Herzoginwitwe. »Mein armes Kind, verschleppt hinter diese verfluchte Schattengrenze ...!«
    Brone klang alt und müde. »Ihr müsst Euch entscheiden, Merolanna. Ist er Euer Kind oder meins? Beides geht nicht.«
    »Doch, es geht wohl«, sagte sie, so leise, dass Utta das Ohr dicht an die Tür beugte wie eine neugierige Dienerin. »Weil er unser Kind ist. Euer
und mein
Fleisch und Blut.«
    »Ich verstehe nicht, was Ihr von mir wollt.« Brone sprach wie jemand, der weiß, dass er geschlagen ist.
    »Die Qar wissen, was mit ihm geschehen ist. Sie haben ihn verschleppt, also wissen sie es, aber sie wollten es mir nicht sagen. Diese Hexe, die sie anführt, hat mich einsperren lassen, damit sie mir nicht ins Gesicht sehen musste. Ich habe ihr Botschaft um Botschaft geschickt, um irgendeine Auskunft gefleht, aber sie hat es ignoriert.«
    Was so nicht ganz stimmte, dachte Utta. Die Herzogin hatte in der Tat Botschaft um Botschaft geschickt, aber dieses seltsame Geschöpf namens Kayyin hatte ihr mehr als einmal Antwort gebracht, und es war immer dieselbe gewesen: Yasammez hatte Merolannas Fragen nicht ignoriert, sie hatte sich schlichtweg geweigert, ihr Auskunft zu geben.
    »Was soll ich da machen?« Brone lachte zynisch. »Glaubt Ihr, ich hätte irgendwelche Beziehungen bei den Zwielichtlern? Außerdem sind sie verschwunden.«
    »Behandelt mich nicht wie eine Schwachsinnige. Ich habe dieser schrecklichen Zwielichtlerfrau ins Auge geblickt. Sie würde ebenso wenig von hier verschwinden wie Ihr oder ich. Sie hat ihre Truppen nur ein Stück zurückgezogen und ließe sich wahrscheinlich überreden, gemeinsame Sache gegen einen viel größeren Feind zu machen. Ich glaube sogar, dass genau das bereits geschieht. Es gibt Leute, die behaupten, die Zwielichtler seien im Untergrund, hier unter der Burg! Aber das ist mir egal.«
    »Was für Leute?« Brone war jetzt wütend. »Wer sagt so etwas? Wo habt Ihr das gehört?«
    »Ach, stellt Euch nicht dumm, Avin. Das passt nicht zu Euch.« Kurz hörte Utta so etwas wie Zärtlichkeit in der Stimme der Herzogin; sie konnte sich erstmals vorstellen, dass die beiden einmal ein Liebespaar gewesen waren. »Auch wenn dieser elende Wicht Hendon Tolly Funderlingsstadt abriegelt, findet der Klatsch und Tratsch doch seinen Weg. Man kann nicht erwarten, dass die Leute so etwas geheim halten, schon gar nicht vor mir. Ich weiß alles, was in dieser Burg vor sich geht. Das sollte Euch doch bekannt sein.«
    Die Qar innerhalb der Mauern von Südmarksburg? Und Brone wusste es und tat nichts? Wie konnte das sein? Jetzt erst wurde Utta bewusst, dass sie nicht nur lauschte, sondern Staatsgeheimnisse ausspionierte. Sie trat einen Schritt von der Tür zurück, für den Fall, dass eine der Zofen aus dem vorderen Gemach käme, aber das gedämpfte Gemurmel dort drinnen hielt unverändert an.
    »... Es spielt keine Rolle«, sagte Merolanna gerade, als Utta sich wieder an die Tür beugte. »Jedenfalls nicht für mich. So wenig wie all die anderen Geheimnisse, die Ihr hütet, zum Beispiel die Tatsache, dass dieser Vansen zurückgekehrt ist, der Hauptmann, der mit meinem Großneffen hinter der Schattengrenze verschollen war. Wisst Ihr auch, wo mein armer Großneffe Barrick ist? Selbst wenn Ihr mich für das hassen würdet, was zwischen uns war — das würdet Ihr mir doch nicht vorenthalten, oder?«
    Brone klang ziemlich hilflos. »Bei den Göttern, Merolanna, natürlich nicht! Ich schwöre, ich weiß nicht, wo Barrick jetzt ist, und Vansen weiß es auch nicht. Als sie sich trennten, war der Prinz noch am Leben.«
    »Gut. Das ist immerhin eine gute Nachricht.« Selbst durch die geschlossene Tür konnte Utta hören, wie erschöpft Merolanna klang. Sie wusste, die Herzogin hatte sich stärker gegeben als sie war, doch

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