Das Hexen-Amulett (German Edition)
ihres Lebens sie in den Schlamm von Werlatton zurückspülen. Sie sah die Sorge in Tobys Augen und fühlte sich verantwortlich für das Blutvergießen vor den Mauern von Lazen Castle. Sie wandte sich an Lady Margaret. «Ihr müsst gehen. Ihr habt keine andere Wahl.»
«Du scheinst den Verstand verloren zu haben, Kind. Allenfalls ließe ich mich von Lord Atheldene dazu überreden, aber nicht von einem dahergelaufenen Schuster aus Bedford. Oberst Fuller! Herrje. Wenn du glaubst, ein solcher Mann könnte mich aus meinem Haus vertreiben, irrst du gewaltig.»
Sir George rieb sich die Augen. Wieder breitete sich Schweigen aus, und Campion wurde das Gefühl nicht los, dass sie die Schuld an der Belagerung trug, weil das Siegel an ihrem Hals die Streitkräfte überhaupt erst nach Lazen gelockt und die friedlichen Felder in einen von Rauchschwaden umhüllten Leichenacker verwandelt hatte. Von Gram gebeugt, setzte sie sich auf einen Stuhl. Sir George sah sie lächelnd an. «Es ist nicht deine Schuld, Campion. Sie wären so oder so gekommen.» Draußen hörte man Musketenfeuer. An Washington gewandt, fragte er: «Werden wir ihnen standhalten können, Oberst?»
Oberst Washington nickte. «Ich glaube ja, Sir George.» Seine Fingerspitzen zupften an dem grauen Schnurrbart. «Wir haben den Graben vorm Alten Haus vertieft und erweitert und werden ihn morgen fluten. Ja, ich glaube, wir können ihnen standhalten.»
«Natürlich können wir das!», sagte Lady Margaret und blickte mit herrischer Miene in die Runde. Ihr fehlten bloß noch ein Speer und ein Streitwagen, dann hätte sie die Feinde wohl ganz allein in die Flucht geschlagen. «Gestern haben wieder zwei von ihnen Fahnenflucht begangen. Wenn sie an ihren Sieg glaubten, würde niemand davonlaufen.»
Oberst Washington nickte. «In der Tat, Ma’am, in der Tat.» In der vergangenen Nacht waren zwei Kanoniere der Gegenseite wie schon andere vor ihnen übergelaufen und hatten unter Einsatz ihres Lebens die Verteidigungsanlagen überwunden, um in der Burg Zuflucht zu suchen. In entgegengesetzter Richtung waren nur ein oder zwei Männer desertiert – ein sicheres Zeichen dafür, dass auch die Soldaten von der Wehrhaftigkeit Lazens überzeugt waren. Die beiden jüngsten Deserteure seien, sagte Oberst Washington, zwar Halunken, aber als erfahrene Kanoniere herzlich willkommen. Die beiden bemannten jetzt einen der Mörder und bedrohten damit ihre ehemaligen Kameraden.
Sir George stopfte Knaster in seine Pfeife. Wie allen anderen Mitgliedern der Garnison standen auch ihm nicht mehr als zwei Prisen Tabak am Tag zu. «Ich finde, Campion sollte gehen.» Sowohl seine Frau als auch Toby schienen Einspruch einlegen zu wollen, doch er winkte mit der Hand ab, um sich nicht unterbrechen zu lassen. «Campions Widersacher sind hier, und wir stehen nicht mehr unter Harrys Schutz.» Mit Blick auf Oberst Washington sagte er: «Ich denke, es sollte gelingen, sie in der Nacht an den Wachen vorbeizuschmuggeln.»
Jetzt wollte Campion protestieren, doch der Graf wiegelte ab. «Ich fürchte, meine Liebe, dass dir, sollten sie dich gefangen nehmen, die Möglichkeit genommen wird, die Ehe zu annullieren», erklärte er mit bedauerndem Lächeln.
Der Gedanke machte ihr Angst. Sie sah den Zorn in Tobys Gesicht, als er Washington fragte: «Ihr sagt, wir können ihnen standhalten, Sir?»
Washington nickte. «Eine Garantie gibt es nicht, nicht im Krieg. Sie könnten die Belagerung ewig fortsetzen. Auch vor Corfe liegen die Rundköpfe schon Gott weiß wie lange. So lange sich für Miss Campion eine Gelegenheit bietet zu fliehen, sollte sie es tun.» Er stockte, weil im Hintergrund feindliche Kanonen krachten. Als das Echo verstummt war, schaute er Toby an und fragte: «Würdet Ihr sie fortbringen?»
Toby schüttelte den Kopf. «Ich kann meine Männer nicht im Stich lassen und muss hier bleiben.» Toby kommandierte als Hauptmann ein Viertel der Garnison. Es war zu merken, dass ihm nicht gefiel, was er zu sagen hatte. «James könnte sie begleiten. Wenn sie die Wälder hinter der Straße erreichen, sind sie in Sicherheit.»
James Wright, der Sohn des Hufschmieds von Lazen, kannte sich in der Gegend aus wie kaum ein anderer. Wenn es einer schaffen konnte, Campion durch die feindlichen Linien zu führen, so war er es.
Sir George lächelte ihr zu. «Mir wär’s wahrhaftig lieber, du könntest bleiben.»
«Sie muss gehen», erklärte Lady Margaret entschieden.
Oberst Washington schaute zum Fenster hinaus.
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