Das Hexen-Amulett (German Edition)
setzte sich an seinen Tisch und dachte nach. Er hatte zwei Kanoniere in die Burg geschickt, die sich als Deserteure ausgaben, in Wirklichkeit aber treu zu ihm standen. Bei der erstbesten Gelegenheit würden sie das Pulverlager der Burg in Flammen aufgehen lassen, und zwar dann, wenn die Hörner zum Morgenappell erschallten. Ebenezer betete, dass es bald so weit sein möge. Er hatte die ganze Nacht auf diesen Augenblick gewartet. Doch inzwischen war es hell geworden, ohne dass sich seine Hoffnungen erfüllt hätten. Oberst Fuller, der auf Grenville Conys Veranlassung hin Lord Atheldene abgelöst hatte, war der Meinung, dass die beiden Männer womöglich entlarvt und eingekerkert worden seien. Ebenezer aber hatte mit kaltem Lächeln erwidert: «Ist denn nicht der Herr mit ihnen?»
Mit dieser Frage war jeder Widerspruch im Keim erstickt. Oberst Fuller hielt sich zurück.
Ebenezer hatte seine Macht entdeckt, und das beflügelte ihn ebenso sehr wie der Psalmengesang. Selbst Oberst Fuller, dieser harte, grimmige Mann, der mit dem Schwert in der Rechten und der Bibel in der Linken kämpfte, zollte ihm Respekt. Fuller hatte ihn auf Sir Georges Brief antworten lassen und sich mit seinem Plan, wie die Burg einzunehmen sei, einverstanden erklärt. Ebenezer sprach mit der Autorität Sir Grenvilles. Sein Verlangen, den neuen Teil der Burg zu verschonen, und freie Hand zu haben, wenn der Feind bezwungen sei, war von Fuller unwidersprochen akzeptiert worden.
Ebenezer hatte Macht.
Morgen würde er, so Gott es wollte, das Siegel des Matthäus in den Händen halten.
Und morgen, wenn Samuel Scammell tot wäre, würde er, Ebenezer, der rechtmäßige Besitzer des Siegels sein und von Sir Grenville ein Vermögen ausgezahlt bekommen. Der Gedanke daran erregte ihn über die Maßen.
Er würde den Bund für seine Zwecke zu nutzen wissen. Er starrte auf den Mühlteich vorm Fenster, über den eine Ente mit ihren Küken paddelte, und dachte an seine Pläne. In England bildete sich eine dritte Gewalt aus, die sowohl den König als auch das Parlament bedrohte. Ebenezer vernahm sie in den kräftigen Stimmen der jungen Männer, deren Gebet so inbrünstig war wie ihr Kampfesmut. Sie verabscheuten den König und alle Royalisten, hassten aber das von Presbyterianern dominierte Parlament nicht minder und würden sich, auch wenn sie jetzt dafür kämpften, niemals von ihm regieren lassen. Die Presbyterianer machten aus dem Himmel eine Lotterie, und das war den unabhängigen Puritanern zuwider.
Sir Grenville hatte sich mit den Presbyterianern gemein gemacht. Ebenezer aber dachte nicht daran, ihnen Gefolgschaft zu leisten. Er würde seine Zeit abwarten und dann den Forderungen des einfachen Soldaten mit seiner eigenen, festen Stimme Ausdruck verleihen. Der einfache Soldat trug das Schwert und die Muskete, und es waren Schwert und Muskete, die für die Heiligkeit Englands bürgten. Der Bund würde ihm helfen, seiner Stimme Gehör zu verschaffen.
Alles war für die frühen Morgenstunden vorbereitet, egal an welchem Tag. Die Männer, aus denen er seine eigene Truppe zusammengestellt hatte, wussten, was zu tun war. Das wussten auch Samuel Scammell, obwohl er sich widerwillig zeigte, und Treu-bis-in-den-Tod Hervey, der Goodwife Baggerlie zu seiner Haushälterin gemacht hatte. Sie waren eingeweiht und bereit, daran mitzuwirken, dass der Tag des Herrn näher rückte.
Sir Grenville Cony rechnete nicht damit, dass die Burg noch in diesem Monat fallen würde. Und das war gut so. Wenn sie in Flammen stünde, würde Ebenezer nur kurze Zeit brauchen, um sich das Siegel nutzbar zu machen. Er war entschlossen, diese Zeit darauf zu verwenden, Sir Grenville zu vernichten, so auch seine eigene Schwester und alle, die ihn daran hindern konnten, in England das Königreich Gottes zu errichten.
Ihm verlangte nach dem Mädchen. «Weib!»
Sie kam zur Tür herein, eifrig darauf bedacht, ihm zu gefallen.
Ebenezer hinkte zum Bett und legte sich hin. «Schieb den Riegel vor.»
Er schloss die Augen und würde sie erst wieder öffnen, wenn sie fertig wäre. Während es über dem Tal von Lazen allmählich dunkel wurde, malte er sich seine Vision in den prachtvollsten Farben aus.
17
Mildred, Campions Katze, war immer schon vor dem Morgengrauen hellwach, stapfte schnurrend über die Decke, leckte mit der rauen Zunge über ihr Gesicht oder schmiegte das warme Fell an ihre Wange. «Geh weg, Mildred!»
Die Katze verstand all ihre Worte als Zuspruch und bemühte sich umso
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