Das Hexen-Amulett (German Edition)
Sieg, der die Waagschale zu ihren Gunsten hätte ausschlagen lassen. Aber von Lord Atheldene kamen nicht nur Nachrichten. Einmal schickte er einen großen, mit Nelken gespickten Schinken, ein anderes Mal ein Fass Wein und einen Brief, in dem er sein Bedauern darüber zum Ausdruck brachte, alte Freunde und Nachbarn bekriegen zu müssen. Er versprach den Frauen von Lazen sicheres Geleit und schlug Lady Margaret sogar vor, in seinem Haus Zuflucht zu suchen. Doch davon wollte sie nichts wissen. «Mein Zuhause ist hier. Es fiele mir im Traum nicht ein, unter Harrys Dach zu wohnen. Da ist es zugig, und die kleinen Kinder machen einen Heidenlärm.» Sie hatte bereits ihr eigenes Epitaph verfasst, das in eine Steintafel gemeißelt und in der zerschossenen Schlosskapelle ausgestellt werden sollte. «Sie starb bei der Verteidigung ihres eigenen Hauses, belagert von tückischen Verrätern.» Sie schaute Campion an. «Du musst von hier fort, Kind.»
Campion schüttelte den Kopf. «Nicht ohne Euch, Lady Margaret.»
Campions Furcht vor den Feinden hatte abgenommen. Solange Lord Atheldene die Belagerungstruppen anführte, machte sie sich um Leib und Leben keine Sorgen. Er war, wie Sir George sagte, ein Mann von Ehre und Anstand und würde alles tun, um den Frauen von Lazen die Schrecken des Krieges zu ersparen. Selbst als Samuel Scammell zu seinen Truppen stieß, wovon Campion über einen verwundeten Gefangenen erfuhr, blieb sie gelassen. Scammell hatte keine Macht über Lord Atheldene.
Sie hielt nach Scammell Ausschau und suchte die feindlichen Linien mit dem klobigen Teleskop ab, das Lady Margaret auf dem Dach des Bergfrieds hatte aufbauen lassen. Toby war bei ihr. Seine roten Haare flatterten im Wind. «Vielleicht ist er gar nicht da.»
«Als Soldat kann ich ihn mir auch gar nicht vorstellen.» Sie richtete das große Rohr, das auf einem eisernen Dreifuß ruhte, auf das Dorf. Das Bild wackelte. Sie konnte das Erdwerk ausmachen, mit dem der Feind die Straße zum Schloss verschanzt hatte, und sah Soldaten in der Sonne hocken. Sie hatten ihre Sturmhauben abgelegt und aßen Brot und Käse. Hühner liefen pickend über die Dorfstraße. «Ah!» Sie lachte laut auf. «Ich habe ihn entdeckt.»
«Lass sehen!»
«Warte.»
Sie hatte erwartet, vor Scammell Angst zu haben. Dass sie nun über ihn lachen musste, überraschte sie selbst. Er stand vor einer der Hütten, blinzelte ins Sonnenlicht und kratzte sich am Hosenboden, wobei er so unbeholfen aussah, dass man vor ihm wahrhaftig nicht bange sein musste.
Toby, der Scammell während der feurigen Hochzeitsnacht in London nur flüchtig zu Gesicht bekommen hatte, starrte auf seinen Feind. «Was ist los mit ihm? Hat er die Pocken?»
«Er kratzt sich ständig.»
Toby grinste. «Hauptmann Scammell, Krieger des Herrn. Wie konntest du diesen Mann bloß heiraten?»
Sie gab ihm einen Knuff auf den Arm, wodurch das Teleskop zur Seite ruckte. Toby musste es neu ausrichten. «Mein Gott! Er hat seine eigene Leibwache bei sich.»
«Zeig mal.»
Campion spähte durch das Okular und schnappte nach Luft. «Was ist?», fragte Toby.
«Das kann doch nicht sein.» Das Lachen war ihr vergangen. «Nicht zu fassen.»
«Was?»
«Es ist Ebenezer. Kaum wiederzuerkennen. Und Pastor Hervey.»
Toby übernahm das Fernglas. «Welcher ist Ebenezer?»
«Der mit den schwarzen Haaren.»
Toby sah einen hageren, großgewachsenen jungen Mann neben Scammell stehen, ganz in Schwarz gekleidet. Selbst die eleganten hohen Stiefel und der Brustpanzer waren schwarz. Er hinkte zwar, doch wirkten seine Bewegungen eigentümlich würdevoll. Der dritte Mann, Pastor Hervey, dem die sandfarbenen Haare ins dünne Gesicht fielen, redete hektisch auf Scammell ein.
«Ich habe Angst, Toby.»
«Warum?»
«Sie sind meinetwegen gekommen.»
«Unsinn.» Er richtete sich auf. «Atheldene führt das Kommando.» Er lächelte ihr zu. «Womöglich wissen sie nicht einmal, dass du hier bist.» Er lachte, um sie aufzuheitern. «Es liegt doch auf der Hand, warum sie gekommen sind. Für Werlatton sind wir das am nächsten gelegene königstreue Haus. Keine Sorge. James und ich werden auf dich aufpassen.»
James war Tobys Diener, ein junger Mann, der von seinem Vater, der Hufschmied in Lazen war, Körperstatur und Muskelkraft geerbt hatte. James Wright war mit Toby aufgewachsen. Sie hatten gemeinsam in den Wäldern zu jagen gelernt, in den Fischgewässern der Nachbarschaft gewildert und kämpften nun auch in diesem Krieg Seite an Seite. Toby
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