Das Hexen-Amulett (German Edition)
ihr Bruder doch ein Einsehen haben würde.
Mildred huschte mit gesträubtem Fell zur Tür herein und rannte geradewegs auf Campion zu. Sie bückte sich, hob die Katze vom Boden auf und drückte sie an ihre Brust. Mit der linken Hand ergriff sie das Siegel, zog die Kette über die Haube und stopfte sie in den Ausschnitt, weil ihr auf die Schnelle kein besseres Versteck in den Sinn kam. Sie spürte, wie sich das Schmuckstück hinter dem leinenen Vorbinder über der Taille verfing. Das Siegel. Ursache der Schrecken, die über Lazen gekommen waren. Sie fragte sich, wo Toby sein mochte. Sie hatte keine Zeit mehr gehabt, für ihn zu beten.
Laufschritte hallten durch das große marmorne Treppenhaus. Es war nur eine Person, die da herbeieilte, und Campion hoffte verzweifelt darauf, dass es Toby sei. Sie dachte an Flucht, daran, die allgemeine Verwirrung zu nutzen, um sich in Sicherheit zu bringen, wollte aber unbedingt mit Toby zusammen sein.
Hauptmann Tugwell kam zur Tür herein. Sein rechter Arm war voller Blut. Er blieb stehen, starrte die Frauen an und ließ sein Schwert sinken, das so rot war wie sein Arm. «Ihr lebt! Gott sei Dank.»
«Was ist geschehen, Hauptmann?»
Er blieb ihr eine Antwort schuldig, denn schon war das Stampfen vieler Stiefel auf der Treppe zu hören. Der Hauptmann wandte sich zur Tür. Campion sah, wie er sein Schwert hob, es aber gleich wieder fallen ließ. Sein Gesicht verriet Resignation. Der gefürchtete Moment war da.
Vier Männer betraten die Galerie. Sie trugen Sturmhauben und Harnisch. Um ihre Hüften hatten sie die gelb-rote Feldbinde der Parlamentarier gewickelt. Ihre Gesichter waren hinter den vergitterten Visieren nicht zu erkennen. Nach einem flüchtigen Blick auf die Frauen wandten sie sich wie auf Kommando Hauptmann Tugwell zu. Er wurde entwaffnet und durch die Tür nach draußen gestoßen. Dann näherte sich einer der Soldaten mit gezogenem Schwert. Seine Stiefelabsätze knallten laut auf den schwarz-weißen Steinfliesen auf, ehe sie den langen Teppich in der Saalmitte erreichten. «Lady Margaret Lazender?»
«Die bin ich.» Campion spürte, wie Lady Margaret sich versteifte.
Der Soldat blieb stehen und nahm die Sturmhaube ab. Die dunklen Haare klebten feucht am Kopf. Campion hatte diesen Mann nie gesehen.
«Ich bin Oberst Fuller. Seid Ihr bereit, mir Lazen Castle zu übergeben?»
«Das ist Sache meines Mannes. Ich würde mir so etwas nicht anmaßen.»
Oberst Fuller krauste die Stirn. Mit dieser Antwort hatte er nicht gerechnet. «Der Besitz ist von uns eingenommen.»
«Verstehe. Darf ich hoffen, dass selbst ein Rebell das Leben von Frauen verschont?»
Fuller kniff die Brauen zusammen. «Ich vergreife mich nicht an Frauen.»
«Wie erklärt es sich dann, dass Ihr mir mit gezogenem Schwert entgegentretet, Oberst? Wenn Ihr mich töten wollt, so zögert nicht lange; wenn nicht, steckt es bitte weg. Wo ist mein Mann?»
Wieder waren Schritte im Treppenhaus zu hören. Lady Margaret drückte Campion und Caroline enger an sich. Draußen wurde es hell, und die Vögel sangen, als wäre nichts geschehen.
Sechs Männer betraten den Saal. Auf den ersten Blick hielt Campion sie alle für Soldaten, doch dann sah sie die schwarzen Kleider und den lackierten Brustschild ihres Bruders. Neben ihm stand, trotz des vorgezogenen Visiers leicht erkennbar, Samuel Scammell.
«Oberst», flüsterte Ebenezer, aber Campion verstand jedes Wort, «ich denke, es müsste auch Euch erreicht haben, dass der Zutritt zu diesem Teil des Hauses ausschließlich Sir Grenvilles Männern vorbehalten ist.»
Oberst Fuller drehte sich um. Sein Schwert steckte erst zur Hälfte in der Scheide, und es schien, als wollte er es wieder ziehen, um Ebenezer zu züchtigen. Doch dann nickte er und sagte nur: «Wir gehen.»
«Recht so.»
Campion hatte sich während der vergangenen neun Monate sehr verändert und bemerkte nun zu ihrer eigenen Überraschung, dass auch ihr Bruder ein anderer geworden war. Seine Unbeholfenheit schien überwunden, und das einst trübsinnige Gesicht wirkte jetzt hart und bedrohlich.
Als sich die Tür hinter Oberst Fuller schloss, hinkte Ebenezer auf die Frauen zu. «Wer von Euch ist Margaret Lazender?»
«Für Euch, mein Junge, bin ich Lady Margaret Lazender», sagte sie und straffte die Schultern.
«Euer Name, Frau, ist Margaret Lazender.» Dass Ebenezer mit seinem verkrüppelten Bein nur langsam vorankam, ließ ihn umso unheimlicher erscheinen. «Hiob, Kapitel zweiunddreißig, Vers
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