Das Hexen-Amulett (German Edition)
Verlegenheit gebracht.
Pastor Treu-bis-in-den-Tod Hervey schien dagegen völlig ungerührt zu sein. Ihm war die Aufgabe zugedacht, sie zum Schafott zu begleiten, und er betete, dass sie auf diesem letzten Weg Reue zeigen würde. Das wäre Stoff für eine großartige Predigt: eine Hexe, die um Vergebung bittet und auf Gottes Barmherzigkeit hofft, während er, Treu-bis-in-den-Tod, sie zum himmlischen Gnadenthron geleitet! Er folgte den beiden Soldaten, die Campion zum Scheiterhaufen führen sollten, und kaum dass er ihr Zimmer betreten hatte, setzte er zu seiner Predigt an, obwohl auch ihm deutlich sein musste, dass sie, benommen wie sie war, keines seiner Worte in sich aufnehmen konnte.
Einer der Soldaten fesselte ihr die Hände auf dem Rücken und zog den Knoten so fest zusammen, dass sie vor Schmerzen aufschrie. «Pass auf, Jimmy!», lachte der andere. «Sie wird dich noch verhexen.»
Ihr Hauptmann herrschte sie an und bat sich Ruhe aus. Mit der ihm auferlegten Pflicht war er ganz und gar nicht einverstanden. Er hatte bislang immer fest an die Unfehlbarkeit der Gerichte geglaubt, doch als er am Abend zuvor mit seinen Eltern in Caleb Higbeds Haus zu Gast gewesen war, hatte der Anwalt, auf den Prozess angesprochen, lauthals gelacht und gesagt: «Das ist natürlich barer Unsinn. Dieses Mädchen ist keine Hexe. Aber wenn die Gesetze etwas anderes behaupten, muss man sich danach richten. Der Schweinebraten ist köstlich, nicht wahr?»
Es erleichterte den Hauptmann ein wenig zu sehen, dass die junge Frau gefasst zu sein schien. Wie schrecklich ihre letzte Nacht für sie gewesen sein musste, war nur den geröteten Augen und ihrem Gesichtsausdruck anzusehen. Und auch der eine scheue Blick, den sie ihm zuwarf, zeugte von den Schrecken, die sie empfinden musste. Mit einem Lederbeutel in der Hand trat der Hauptmann vor und bedauerte, das, was er nun zu tun beabsichtigte, nicht schon getan zu haben, ehe man ihr die Hände gefesselt hatte. Der Beutel schien schwer zu sein und war mit einer langen Riemenschlaufe versehen. Er lächelte unsicher. Es gehörte nicht zu seiner Pflicht, ihr diesen Beutel zu überreichen, aber sein Vater hatte den Vorschlag gemacht, und der Hauptmann war froh darüber gewesen. «Mrs Scammell?»
Sie schaute ihn wortlos und mit hohlem Blick an, es schien, als sei sie entrückt.
«Dieser Beutel ist voller Schießpulver, Mrs Scammell», sagte der Hauptmann. Wenn Ihr erlaubt, werde ich ihn Euch um den Hals hängen und unterm Kleid verstecken. Es sorgt für ein rasches Ende.»
«Schießpulver?» Treu-bis-in-den-Tod Hervey kniff die Brauen zusammen. «Auf wessen Befehl, Hauptmann?»
«Kein Befehl, Sir. So will es der Brauch.»
«Das bezweifle ich.» Der Pfarrer grinste. «Die Opfer der Hexe hatten auch kein rasches Ende. Warum also sollte ihr ein solches vergönnt sein? Nein, Hauptmann. Behaltet den Beutel. Sie muss die volle Schärfe des Gesetzes erleiden.» Er wandte sich Campion zu und stieß ihr seinen nach Zwiebeln stinkenden Atem ins Gesicht. «‹Ihr pflüget Böses und erntet Übeltat.› Bereue! Noch ist es nicht zu spät. Bereue!»
Sie schwieg und gab auch keinen Laut von sich, als die Soldaten sie zur Tür stießen, wobei einer der beiden ihre Brüste befingerte.
«Hände weg!», brüllte der Hauptmann.
Das Mädchen schien von alldem gar nichts mitzubekommen.
Ein einzelner Glockenschlag ließ wissen, dass das erste Viertel der vollen Stunde verstrichen war. Der Hauptmann betrachtete ihr schönes, bleiches Gesicht. «Wir müssen gehen.»
Sie bewegte sich wie in Trance, hörte und sah nichts, als sie die Fußspuren des Erzbischofs im Hof überquerte. Von einem vergitterten Fenster aus sah William Laud, wie sie abgeführt wurde, und segnete sie mit dem Zeichen des Kreuzes. Eines Tages würde auch er diesen Weg gehen müssen und unter dem Beifall der Puritaner zu Tode gequält werden. Als sie unter dem Torbogen verschwunden war, kehrte er in seine stille Zelle zurück.
Viele der Zuschauer machten ihrer Ungeduld lauthals Luft, während sich andere gleichmütig damit abfanden, dass noch eine weitere Viertelstunde abzuwarten war. Die Soldaten hatten eine Schneise geöffnet, die sich von der Pforte des Towers bis zum Scheiterhaufen erstreckte und mit angelegten Piken freigehalten wurde. Einigen Händlern war erlaubt worden, von dieser Gasse aus Backwaren und Bier zu verkaufen, und auch faule Früchte, die bei Hinrichtungen immer sehr begehrt waren, weil viele ihre Freude daran hatten,
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