Das Hexen-Amulett (German Edition)
Geschworenen und verfüge, dass Ihr, Dorcas Scammell, morgen Vormittag zu einer Hinrichtungsstätte geführt und den Flammen ausgeliefert werdet, bis Euch der verdiente Tod ereilt. Gott sei Eurer Seele gnädig.»
Für eine Weile herrschte vollkommene Stille im Saal, alle Augen waren auf Campion gerichtet. Dann brach tosender Beifall aus.
Campion saß mit bleichem Gesicht, die Hände im Rücken gefesselt, auf ihrem Stuhl und rührte sich nicht. Sie verriet keinerlei Regung, auch nicht, als die Wächter kamen und sie abführten.
So strahlend wie am nächsten Morgen war die Sonne schon lange nicht mehr über London aufgegangen. Nach den Regenfällen der vergangenen Tage schien die Stadt reingewaschen und von den Nachtwinden frisch durchlüftet zu sein. Die in Scharen herbeigeströmte Menge sah auf dem Tower Hill ein paar letzte hohe Wolken ostwärts fliegen.
In Anbetracht der ungeheuer großen Anzahl an Schaulustigen behaupteten manche, dass bislang nur die Hinrichtung des Grafen von Strafford so viele Menschen angelockt habe. Alle waren in bester Stimmung, und unter großem Jubel wurde anstelle des abgebauten Galgens ein Scheiterhaufen aus Reisigbündeln aufgeschichtet. «Baut ihn höher, baut ihn höher!», feuerte die Menge die Henkersknechte an. «Es will doch jeder was sehen, auch die, die hinten stehen.»
Der Scheiterhaufen wurde acht Fuß hoch, und nur der relativ kurze Pfahl in der Mitte verhinderte ein höheres Maß. Unter großem Gelächter taten die Henkersknechte, als wärmten sie sich die Hände an einem Feuer, das noch gar nicht entzündet war, und traten dann respektvoll zurück, als der Scharfrichter kam, um ihr Werk zu begutachten.
Er kletterte auf den Reisigberg, stampfte, um seine Festigkeit zu prüfen, darauf herum und ließ von einem Gehilfen zwei Ketten an den Pfahl nageln, die dem Opfer später um Hals und Hüfte gelegt werden sollten. Wieder vom Scheiterhaufen heruntergestiegen, befahl der Scharfrichter, zwei Löcher in den Haufen zu bohren, groß genug, um ein Feuer darin entfachen zu können. Erst als dies geschehen war, gab er sich zufrieden.
In einem Abstand von vierzig Schritt hatte sich inzwischen ein Spalier aus Soldaten gebildet, die von denen, die sie zurückhalten sollten, immer wieder darum gebeten wurden, ihre Helme abzusetzen und die Köpfe einzuziehen. Kinder zwängten sich zwischen die Soldaten und warteten gespannt auf das Schauspiel, für das sie schon die ganze Nacht über angestanden hatten. Die Häuser im Westen des Hügels boten die beste Aussicht, und wer es sich leisten konnte, hatte dort ein Zimmer angemietet. Manche Hauswirte boten den zahlenden Gästen Erfrischungen an, andere hatten in den Fenstern oder auf dem Dach Fernrohre aufgestellt. Die Warte im Osten des Towers war Angehörigen der Soldaten und hohen Beamten vorbehalten. Alle erwarteten gespannt den großen Moment.
Prediger, die schon am Abend zuvor in ihren Gemeinden die Stimmung aufgeheizt hatten, gingen nun durch die Menge und sorgten dafür, dass Psalmen angestimmt und Gebete gesprochen wurden.
Die Kinder konnten ihre Ungeduld kaum mehr im Zaum halten und fingen an zu maulen aus Sorge, die Eltern könnten es versäumen, sie in die Höhe zu heben, sobald das Feuer entzündet sein würde. Händler drängten durch die Menge und boten Backwaren feil, manche trugen schwere Fässer auf dem Rücken und zapften Wasser zum Verkauf daraus ab.
Es war ein besonderer Tag. Die Prediger sprachen gar von einem heiligen Tag und sagten, dass dem Willen Gottes heute Geltung verschafft und eine Frau dem Tod überantwortet werde, damit das Land vor dem Erzfeind verschont bliebe. Es sei kein Wunder, sagten die Prediger, dass der Herr die Sonne strahlen lasse.
Man hatte Campion tags zuvor gesagt, dass das scharlachrote Kleid das einzige sei, das zur Verfügung stünde. Nun aber war ihr ein schlichter Kittel zum Anziehen gegeben worden, der aus so dünnem Stoff bestand, dass er, wie sie vermutete, sofort Feuer fangen würde.
Den Wärtern kam sie vor, als sei ihr Geist bereits umnachtet. Nach der von Francis Lapthorne eingeflößten, dann aber bitter enttäuschten Hoffnung hatte sie aller Mut verlassen. Seitdem war ihr keine Gefühlsregung mehr anzumerken. Nur einmal, als sie den Brief von Pastor Perilly gelesen hatte, war sie in Tränen ausgebrochen, teils vor Freude darüber, dass Toby lebte, teils aber auch darüber, dass es für sie beide keinen Sommer mehr geben sollte.
Ihr Weinen hatte die Wärter gerührt und in
Weitere Kostenlose Bücher