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Das Hexen-Amulett (German Edition)

Das Hexen-Amulett (German Edition)

Titel: Das Hexen-Amulett (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susannah Kells
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die Opfer damit zu bewerfen.
    Vor dem Scheiterhaufen war der Gehilfe des Scharfrichters damit beschäftigt, mit Hilfe eines Blasebalges Holzkohle zum Glühen zu bringen. Die Luft über der Kohlenpfanne flimmerte. Auf dem Boden daneben lagen zwei Pechfackeln bereit, um mit ihnen den Reisighaufen in Brand zu setzen. Aus der Menge rief jemand dem Scharfrichter zu, er solle doch bitte die Kastanien für ihn aus dem Feuer holen. Der große, mit einem Lederwams gekleidete Mann lächelte müde. Er kannte all die alten Scherze nur zu gut. Das Sterben bot für ihn keine Überraschungen mehr.
    Am Fuß des Hügels brach ein Jubelsturm aus, der sich rasch ausbreitete. Sie kam! Väter hoben ihre Kinder auf die Schultern, alles stand auf den Zehenspitzen und reckte die Hälse. Die Prediger priesen Gott und frohlockten, dass sein Wille auf Erden geschehe.

    Was den Jubel ausgelöst hatte, war der Umstand, dass die Tower-Pforte geöffnet worden war. Wer in den vorderen Reihen stand, konnte in der Ausfahrt ein Pferdefuhrwerk sehen, auf dem die Verurteilte ihre letzte Reise antreten sollte. Sie hätte den Weg auch zu Fuß zurücklegen können, doch damit wäre die Menge um ihren Anblick betrogen worden. Und so war der Befehl erteilt worden, für die Todesprozession einen Mistkarren zu beschaffen.
    Campion ging auf den Karren zu. Sie konnte durch den offenen Torbogen sehen und erkannte dahinter einen Ausschnitt der riesigen Menge. Der Lärm, der von ihr ausging, war entsetzlich. Es war wie das Knurren und Kläffen eines wilden Tieres, das sie anzuspringen drohte, und zum ersten Mal an diesem Tag schreckte sie vor der ihr auferlegten Tortur zurück.
    Schreckliche Bilder suchten sie heim. Sie hatte Angst, und sie schauderte bei dem Gedanken an das Aufflackern der ersten Flammen und die an den Füßen fressende Hitze, daran, dass das Kleid Feuer fing und die Haut versengte. An ihren Schreien würde sich die hasserfüllte Menge laben. Sie stellte sich vor, dass ihre Haare brennen würden, und ahnte, dass die Schmerzen unerträglich und schlimmer sein würden, als es die Vorstellung auszumalen vermochte. Die Hölle auf Erden stand ihr bevor, ehe sie dann endlich himmlischen Frieden fände. Sie hoffte, dort, im Himmel, Sir George wiederzusehen, und fragte sich, ob das bei Gott erfahrene Glück den auf Erden erlittenen Kummer vergessen machte. Wenn sie nur Toby nicht vergessen würde.
    Treu-bis-in-den-Tod Hervey zischte ihr ins Ohr: «‹Meinest du, dass ich Gefallen habe am Tode des Gottlosen, spricht der Herr, und nicht viel mehr, dass er sich bekehre von seinem Wesen und lebe?› Das sind Worte der heiligen Schrift, Frau. Bereue!»
    Sie beachtete ihn nicht. Allein konnte sie den Karren nicht erklimmen. Der Hauptmann half ihr dabei und hielt sie beim Ellbogen gefasst, als sie über die verschmierten, fauligen Bretter nach vorn ging, wo sie mit einer Schlinge um den Hals an das Gatter gebunden wurde, das den Fuhrmann vor seiner üblichen Fracht schützen sollte. Der Hauptmann wollte ihr etwas sagen, fand aber keine Worte, die ihr etwas hätten bedeuten können. Stattdessen lächelte er nur.
    Treu-bis-in-den-Tod Hervey drängte durch die Soldaten an den Rand des Karrens. Er war gewarnt worden, nicht auf dem Karren mitzufahren, sondern ihm zu Fuß zu folgen, um nichts von den Gegenständen abzubekommen, mit denen die Verurteilten beworfen wurden. Er brüllte aus vollem Hals, war aber bei all dem Lärm und ausgelassenen Gelächter kaum zu hören. «Bereue, Frau! Der Tod ist nahe. Bereue!»
    Campion stand mit dem Rücken zur geöffneten Pforte. Sie hörte Pferdegetrappel, konnte aber die vier Reiter nicht sehen, die die Ausfahrt versperrten. Ihre Stiefel, Wämser und orangefarbenen Leibbinden waren verdreckt und deuteten darauf hin, dass sie einen weiten Weg hinter sich hatten. Der Karrengaul scheute vor dem Gedränge und Lärm der Menge zurück und sprang zur Seite. Ein Ruck fuhr durch das Gespann, und Campion glaubte, die Fahrt würde beginnen. Mit geschlossenen Augen und klar vernehmlicher Stimme sprach sie: «‹Unser Vater im Himmel …›» Sie hatte sich vorgenommen, die Worte des Herrn vom Scheiterhaufen aus ihren Peinigern entgegenzuschleudern, doch in Anbetracht des Lärms ahnte sie, dass man sie nicht hören würde. Trotzdem wollte sie diese Männer wissen lassen, dass sie eine Unschuldige verbrannten. «‹Unser täglich Brot gib uns heute.›»
    «Halt!», donnerte eine mächtige Stimme.
    Campion aber ließ sich nicht unterbrechen.

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