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Das Hexen-Amulett (German Edition)

Das Hexen-Amulett (German Edition)

Titel: Das Hexen-Amulett (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susannah Kells
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spürte die warmen Strahlen im Gesicht, als das Boot die Mauern des Towers hinter sich ließ und stromaufwärts glitt.
    «Schau hin, Hexe!», sagte Harries und streckte den rechten Arm aus. Es schien ihr, als sähe sie ihn hinter dem Visier seiner Sturmhaube grinsen.
    Campion erblickte die riesige Menge auf dem Hügel, durch die eine Schneise vom Tower bis zu dem Scheiterhaufen verlief, der auf der niedrigen Hügelkuppe deutlich zu erkennen war. Der Lärm, der von der Menge ausging, schallte dumpf über das Wasser und schien sich über die ganze Stadt auszubreiten.
    Harries zupfte an ihrem leinenen Gewand. «Wie ich sehe, hast du dich auf einen warmen Tag eingestellt», sagte er und lachte laut auf. Die Ruderknechte grinsten und legten sich in die Riemen.
    Bald schob sich das Zollhaus vor den Tower-Hügel, doch das Zetern und Kreischen der Menge war immer noch zu hören, es schien ihr nachzustellen. Campion zitterte am ganzen Körper. Dem Scheiterhaufen war sie entkommen. Doch was half es, wenn ihr stattdessen nun glühende Eisen und Zangen drohten?
    Die Männer vor ihr zogen im Gleichtakt die Ruder durchs Wasser und ließen sie nicht aus den Augen. Sie weinte und wusste selbst nicht, ob es Erleichterung war, die die Tränen fließen ließ, oder die Furcht vor den Schrecken, die nicht enden wollten. Die Sonne glitzerte auf dem Wasser und warf ihre Strahlen auf die mit hohen Häusern bebaute London Bridge.
    «Auf die Anlegestelle zuhalten!», knurrte Harries.
    Die Ruderknechte auf der Steuerbordseite setzten einen Schlag aus, und das Boot nahm Kurs auf einen baufälligen Pier am Ufer. Ein Seemann, der mit einem Eimer Kielwasser aus einer dänischen Schaluppe schöpfte, starrte auf das kleinere Boot, das am Heck seines Schiffes vorbeizog und anlegte.
    «Steh auf, Hexe!» Harries hievte sie auf den Pier, warf dem Schlagmann eine gefüllte Börse zu und führte Campion eilenden Schritts zu einer wartenden Kutsche, deren Fenster mit Leder verhängt waren. Mason kletterte auf den Bock und nahm neben dem Kutscher Platz, während Harries und Campion die Kabine bestiegen. Sofort setzte sich der Wagen in Bewegung.
    Campion wusste nicht, ob die Fahrt nach Süden oder Norden, Osten oder Westen ging. Sie hörte den Kutscher rufen und spürte, wie er das Gespann in engen Kurven durch schmale Gassen steuerte. Manchmal, wenn die Sonne auf die Kutsche fiel, drangen helle Strahlen durch die Ritzen, die die vor die Fenster genagelten Lederlappen freiließen. Dann hörte sie, wie ein Tor zugeworfen wurde und allen Straßenlärm ausblendete. Das Hufgetrappel der Pferde hallte von steinernen Mauern wider. Kaum hatte die Kutsche angehalten, stieß Harries den Verschlag auf. «Raus mit dir!»
    Sie befand sich in einem engen Hof, umringt von fensterlosen Mauern, in denen sich, von der Zufahrt abgesehen, nur ein einziges Tor befand.
    «Da lang, Hexe!»
    Campion dachte an das Märtyrerbuch, das ihr als Kind gegeben worden war. Sie wusste, dass sie nicht die Tapferkeit besaß, Folter zu ertragen, und weinte.
    Harries stieß sie durch einen langen, kühlen Gang und stampfte festen Schrittes hinterdrein. Campion zitterte in Erwartung der Qualen, die sie zu fürchten hatte.
    Vor einer Tür angekommen, zog Oberst Harries ein Messer und zerschnitt ihre Handfessel. Die rauen Lederhandschuhe streiften ihre Haut. Als er sie befreit hatte, machte er die Tür auf und hieß sie eintreten.
    Ein Feuer brannte im Kamin. Da waren ein Bett, frische Kleider, Speisen und Wein. Sie hatte sich darauf gefasst gemacht, von groben Händen ergriffen zu werden, doch stattdessen trat eine mütterliche Frau auf sie zu und nahm sie in die Arme. Sie flüsterte ihr tröstende Worte zu, streichelte ihr Haar und wehrte allen Schrecken von ihr ab. «Freu dich, mein Kind, du bist gerettet.»
    Campion wusste nicht, wie ihr geschah. Sie fing hemmungslos an zu schluchzen. Sie war dem Flammentod entronnen und, obwohl sie es selbst noch nicht zu fassen vermochte, in Sicherheit.

23
    Oberst Joshua Harries stand in den Diensten des Grafen von Manchester, der als General das Oberkommando über die parlamentarischen Streitkräfte der Eastern Association führte und mit seiner klugen Heeresführung am meisten zum Sieg der Schlacht auf dem Marston-Moor beigetragen hatte. Als Oberst Harries vom Parlamentssprecher verlangte, einen Haftbefehl gegen Dorcas Scammell auszustellen, weil er herausfinden wollte, ob die im Mercurius erwähnte Frau Teil einer katholischen Verschwörung war oder

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