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Das Hexen-Amulett (German Edition)

Das Hexen-Amulett (German Edition)

Titel: Das Hexen-Amulett (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susannah Kells
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nicht, blieb dem Sprecher nichts anderes übrig, als der Forderung zu entsprechen. Mit den Streitkräften musste man sich gutstellen, außerdem, so wusste der Sprecher, würde nicht er, sondern ein anderer der aufgebrachten Menge auf dem Tower-Hügel erklären müssen, warum die Hinrichtung aufgeschoben war.
    Allerdings wäre es um seine Ruhe geschehen gewesen, hätte er gewusst, dass am Tag der angesetzten Hinrichtung der wahre Oberst Joshua Harries im großen Dom von York weilte, um für die erfolgreiche Belagerung der Stadt zu danken.
    Der Mann, der sich Harries nannte, war ebenfalls ein Oberst der parlamentarischen Streitkräfte, hätte aber gewiss nicht für den Sieg der Rundköpfe gedankt. Oberst Vavasour Devorax war ein Mann des Königs im Dienste des Feinds, kurzum: ein Spitzel.
    Vavasour Devorax hatte die Gesichtsmaske abgelegt, als er zu Campion ins Zimmer zurückkehrte, doch auch ohne diesen Lederflicken sah er furchterregend aus. Seine Augen waren grau und kalt, und über die rechte Gesichtshälfte verlief, knapp am Auge vorbei, eine wulstige Narbe vom Haaransatz bis hinunter zum stahlgrauen Bart. Seine harte, bittere Miene zeugte davon, dass er alles gesehen hatte und durch nichts mehr zu überraschen war.
    «Was hast du ihr gegeben?», fragte er und trat an Campions Bett.
    «Laudanum.» Die Frau sprach mit einem starken ausländischen Akzent.
    Schweigend betrachtete er das schlafende Mädchen und zupfte dabei mit einer Hand am Saum seines speckigen Lederwamses. Nach einer Weile wandte er sich der Frau zu und sagte: «Ich will, dass du mir den Bart abschneidest.»
    «Aber warum denn das?», fragte sie erstaunt.
    «Himmel, Frau! Die halbe Armee sucht einen einäugigen Mann mit Bart.» Er schaute zurück auf Campion. «Und das alles nur wegen der da.»
    «Ist sie’s denn nicht wert?»
    «Wer weiß?» Er verließ das Zimmer und schlug die Tür hinter sich zu.
    «Betrinkt Euch, Devorax», rief die Frau hinter ihm her.
    Und genau das hatte Vavasour Devorax auch vor. Sein Gesicht war nicht nur vom Krieg verwüstet, der Alkohol hatte das seinige dazu beigetragen. Tagsüber trank er nie, aber es gab kaum eine Nacht, in der er sich nicht volllaufen ließ, ob in Gesellschaft oder, wie meistens, missmutig und allein.
    Er war nicht ohne Freunde. Die Männer, die ihm folgten und mit ihm nach London geritten waren, nachdem er den Mercurius gelesen hatte, waren stolz auf ihn und – auf ihre Weise – Freunde. Wie er liebten sie das Abenteuer und hatten als Söldner in den europäischen Religionskriegen gekämpft. Weder dem König noch dem Parlament verpflichtet, hielten sie einzig und allein ihm, Vavasour Devorax, die Treue. Wenn er ihnen einen Befehl erteilte, gehorchten sie.
    Devorax wiederum gehorchte den Befehlen seines Herrn. Warum er diesem, einem Juden, so ergeben war, wusste sich niemand zu erklären. Es hieß, dass Mordecai Lopez ihn von einer maurischen Sklavengaleere freigekauft hatte. Andere mutmaßten, dass er ein Bankert des Juden sei, von einer nichtjüdischen Frau zur Welt gebracht, doch bislang hatte es niemand gewagt, ihn danach zu fragen. Nur eines war gewiss: Für Devorax war jeder Wunsch von Mordecai Lopez ein Befehl.
    Marta Renselinck, jene mütterliche Frau, die sich um Campion kümmerte, mochte Vavasour Devorax nicht. Sie verübelte ihm seinen Einfluss auf ihren Herrn, nahm Anstoß an seinen Launen und fürchtete seine scharfe Zunge. Marta war Lopez’ Haushälterin und als solche für ihren Herrn so unverzichtbar, dass er sie mit sich über die Nordsee nach London geführt hatte. Die anderen Dienstboten waren in Amsterdam zurückgeblieben und instruiert worden, allen, die sich nach dem Juden erkundigten, zu sagen, dass er schwer krank und ans Bett gefesselt sei. In Wirklichkeit war Lopez mit dem ersten verfügbaren Schiff nach England gesegelt, mit Papieren ausgestattet, die ihn als einen Vertreter der Bank von Amsterdam auswiesen und bevollmächtigten, mit dem Parlament über ein von seiner Bank gewährtes Darlehen zu verhandeln. Dank dieser gefälschten Papiere hatte er die Wachposten am Hafen unbehelligt passieren können. Daraufhin waren die beiden, Lopez und seine Haushälterin, auf direktem Weg zu diesem Haus gefahren. «Vavasour ist hier, Marta. Jetzt wird alles gut.» Von Sorge umgetrieben, seit er die Nachricht im Mercurius gelesen hatte, schien Lopez endlich wieder gelöst und voller Zuversicht, das Mädchen befreien zu können. Um ihrem Herrn zu gefallen, hatte Marta ihr

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