Das Hexen-Amulett (German Edition)
Mr Scammell?»
Er zeigte sich betroffen und runzelte wieder die Stirn. Auf ihre Gegenfrage zu antworten fiel ihm sichtlich schwer. Doch dann lächelte er wieder. «Euer Vater war sehr großzügig in der Regelung unserer Vermählung. Wirklich und wahrhaftig. Außerordentlich großzügig.» Er schaute sie erwartungsvoll an, doch sie blieb stumm. Er blinzelte mit den Augen. «Kennt Ihr den Bund?»
«Nein.» Ihre Neugier war geweckt.
«Ah!» Er machte einen überraschten Eindruck. «Ihr seid eine glückliche Frau, meine Liebe, denn der Herr hat Euch nicht nur Reichtum geschenkt, sondern auch – wenn ich mir das zu sagen erlauben darf – Schönheit.» Er gluckste.
Reichtum? Bund? Sie wollte mehr wissen, konnte sich aber zu keiner Frage durchringen. Wenn es ihr bestimmt war, diesen Mann zu heiraten, musste sie sich fügen, es blieb ihr keine andere Wahl. Doch sie weigerte sich, Gefühle vorzutäuschen, die sie nicht empfand. Wohl würde sie versuchen, ihren Widerwillen zu bekämpfen, und darauf hoffen, dass sich vielleicht so etwas wie Zuneigung einstellen mochte. Jetzt aber spürte sie nur Tränen in den Augen brennen, als sie über seine Schulter hinweg auf das modernde Laub am Boden starrte. Wenn im kommenden Herbst die Bäume erneut ihre Blätter verlören, würde sie schon verheiratet sein und das Bett mit Samuel Scammell teilen.
«Nein!» Sie hatte diese Antwort eigentlich für sich behalten wollen.
«Wie bitte?» Er schaute eifrig zu ihr auf.
«Nein, nein, nein!» Ihr Entschluss, sich in Würde zu fügen, geriet ins Wanken, kaum dass er gefasst war. Um ihre Tränen zurückzuhalten, suchte sie die Flucht nach vorn und sagte mit gehetzten Worten: «Ich möchte heiraten, Sir, aber mit liebendem Herzen, ich möchte mit liebendem Herzen Kinder zur Welt bringen und sie in Liebe großziehen.» Die Tränen strömten nun doch, denn ihr war die Vergeblichkeit ihrer Worte bewusst, und der Schrecken einer Ehe mit diesem abscheulichen Mann stand ihr deutlich vor Augen. Sie war wütend, nicht auf ihn, sondern auf sich, weil sie vor ihm in Tränen ausgebrochen war. «Ich will diese Ehe nicht, ich will überhaupt nicht heiraten. Lieber sterbe ich …» Sie stockte. Ja, sie würde lieber sterben, als in Matthew Slythes Haus ihre Kinder aufzuziehen, aber sie konnte es nicht sagen, ihr Vater würde davon hören. Wut und Verzweiflung ergriffen von ihr Besitz.
Er war entsetzt. Er wollte diese Ehe, er wollte sie, seit Matthew Slythe ihm seine Absichten erklärt und angedeutet hatte, dass er, Samuel Scammell, durch Dorcas sehr reich werden würde. Als er sie dann am Abend zuvor zum ersten Mal gesehen hatte, wollte er sie umso mehr. Dass sie so schön war, hatte er nicht geahnt, denn Matthew Slythe hatte ihm gegenüber kein Wort davon verloren.
Am Vorabend hatte er sein Glück kaum fassen können. Sie war ein Mädchen von atemberaubender Schönheit und einer Anmut, die fleischliche Lust in ihm erregte. Jetzt aber wandte sich eben dieses brave, pflichtbewusste Mädchen gegen ihn und zürnte seiner. Er stand auf, die Stirn in Falten gelegt.
«Ein Kind muss seinen Eltern gehorchen wie auch eine Frau dem Gatten.» Er schlug den Tonfall eines Predigers an, sprach streng und laut. Er war nervös, beherzigte aber Matthew Slythes Rat und zeigte sich seiner Tochter gegenüber fest entschlossen. «Wir werden in Gottes Liebe leben, nicht in der irdischen Liebe des Fleisches und der Vergnügungssucht.» Er kam in Schwung, und es schien, als spräche er vor der Gemeinde der Heiligen. «Irdische Liebe ist so schwach wie das Fleisch. Wir aber sind zur himmlischen Liebe, der Liebe Gottes aufgerufen, zu einem Sakrament, das ihm und seinem Sohn heilig ist.» Seiner puritanischen Moralpredigt hilflos ausgesetzt, schüttelte sie den Kopf. Er trat einen Schritt auf sie zu und sagte mit donnernder Stimme: «‹Denn wen der Herr lieb hat, den züchtigt er!›»
Sie starrte ihn an und antwortete ebenfalls mit einem Bibeltext: «‹Mein Vater hat euch mit Peitschen gezüchtigt, ich will euch mit Skorpionen züchtigen.›»
Scammell riss verschreckt die kleinen Augen auf. «Soll ich Eurem Vater sagen, dass Ihr Euch seinem Wunsch widersetzt?»
Sie war geschlagen, und sie wusste es. Falls sie diesen Mann ablehnte, würde ihr Vater sie in ihrem Zimmer einsperren, auf Brot und Wasser setzen und bei Sonnenuntergang mit dem Ledergürtel in der Hand zu ihr kommen. Er würde sie schlagen, den Willen Gottes beschwören und ihr vorwerfen, gesündigt zu
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