Das Hexen-Amulett (German Edition)
ungehindert aus der Feder fließen. Besonders leicht entzündete sich seine Phantasie an der Vorstellung von Notzucht und Schändung, der er so viel Raum schenkte und Zeit opferte, dass, als seine Ausführungen über vergewaltigte protestantische Jungfrauen schließlich die Verleger in London erreichten, bereits zwei andere Berichte zum selben Thema veröffentlicht waren. Reverend Treu-bis-in-den-Tod Hervey kam zu spät. Sein Manuskript wurde an ihn zurückgeschickt und gelangte nie in Druck.
Dass die Welt von seinen überragenden Fähigkeiten keine Notiz nahm, war die eine große Enttäuschung für ihn. Die andere bestand darin, dass er immer noch unbeweibt war, was sich für einen Geistlichen, der dreißig Pfund im Jahr bezog, im Grunde nicht gehörte. Ungünstigerweise hatte sich Treu-bis-in-den-Tod auf eine ganz bestimmte junge Frau kapriziert, ein Mädchen, das ihm weit mehr denn alle anderen als Ehefrau und Spenderin irdischer Freuden geeignet zu sein schien. Er wollte Dorcas Slythe heiraten.
Seit nunmehr fünf Jahren schmachtete er nach ihr. Auf sie richtete er seinen Blick, wenn er von der niedrigen Kanzel sprach, und er nahm jede Gelegenheit wahr, Werlatton Hall zu besuchen, um sich an ihrer Schönheit zu weiden. Da es keine anderen Bewerber um sie gab, hatte er selbst bei Matthew Slythe um ihre Hand angehalten, war aber so brüsk und unmissverständlich zurückgewiesen worden, dass er nie wieder darauf zu sprechen gekommen war. Slythes Ablehnung hatte seine Lust jedoch nicht schmälern können. Er sehnte sich mit Schmerzen nach Dorcas.
Als er nun in seinem Garten saß und an der Predigt für den kommenden Sonntag feilte, wurde ihm seine Angebetete in Begleitung ihres Verlobten angekündigt.
Es war ein bitterer Moment für Treu-bis-in-den-Tod, doch blieb ihm nichts anderes übrig, als die beiden willkommen zu heißen, zumal abzusehen war, dass Samuel Scammell dereinst sein Zahlmeister sein würde. Und so sehr er ihm nach außen hin schmeichelte, verachtete er ihn im Stillen. «Prächtiges Wetter, Bruder Scammell.»
«Wirklich und wahrhaftig. Gleiches bemerkte ich auch gegenüber Dorcas.»
Dorcas starrte auf den Rasen und sagte nichts. Sie konnte Hervey nicht ausstehen und vermied es, ihm ins düstere, knochige Gesicht zu sehen. Hervey aber suchte ihren Blick und fragte: «Ihr seid zu Fuß, Miss Slythe?»
Es lag ihr auf der Zunge zu antworten, sie sei auf einem Besenstil herbeigeflogen. «Ja.»
«Ein herrlicher Tag für einen Spaziergang.»
«Ja.»
Scammell legte den Brief von Matthew Slythe auf die Sonnenuhr und half Treu-bis-in-den-Tod dabei, eine Bank aus dem Haus nach draußen zu tragen. Campion nahm darauf Platz und rückte zur Seite, um sich dem Druck von Scammells prallem Schenkel zu entziehen, während Hervey den Brief überflog. «Es soll also das Aufgebot bestellt werden.»
«Ja.» Scammell fächerte sich mit seinem schwarzen Hut Luft zu.
«Gut, gut.»
Der religiöse Aufruhr in England mochte zwar das Book of Common Prayers aus vielen Gemeinden vertrieben haben, doch blieben die Formen der Eheschließung und Totenbestattung unangetastet. Und so wurde nach altem Brauch auch das Aufgebot bestellt, indem den Gemeindegliedern an drei aufeinanderfolgenden Sonntagen Gelegenheit geboten wurde, Einspruch gegen die angekündigte Eheschließung zu erheben. Doch dass jemand Gebrauch von diesem Recht machte, war, wie Campion wusste, nicht zu erwarten. Niemand würde Einspruch erheben.
Die beiden Männer verständigten sich über die Gestaltung des Gottesdienstes, legten einen Termin fest und einigten sich auf die Psalmen, die gesungen werden sollten. Campion hörte nicht zu. Die Stimmen der beiden waren für sie ebenso bedeutungslos wie das Summen der Bienen im Pfarrgarten. Ihre Vermählung war eine beschlossene Sache, der sie sich fügen musste wie einem schicksalhaften Verhängnis.
Campion und Scammell blieben eine Stunde. Bevor sie sich auf den Rückweg machten, knieten sie zum Gebet nieder, das zum Glück nur zehn Minuten dauerte und von Treu-bis-in-den-Tod gesprochen wurde, der um die Gunst des Allmächtigen warb und darum bat, dass er dem Brautpaar den Segen spende, den es verdiene. Anschließend versicherten sich Bruder Hervey und Bruder Scammell noch einmal ihrer gegenseitigen Hochachtung.
Treu-bis-in-den-Tod schaute den beiden nach, als sie sein Haus verließen. Er war krank vor Eifersucht und spürte Hass in sich aufkeimen, Hass gegenüber Matthew Slythe, der ihm seine Tochter
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