Das Hexen-Amulett (German Edition)
ihrer Kammertür.
Am nächsten Tag zogen sie auf Feldwegen über fruchtbares Ackerland. An einer Stelle, die sich von den anderen kaum unterschied, machten sie halt und schickten eine Vorhut voraus. Devorax gab einen Befehl aus, den seine Männer mit Jubel begrüßten. Sie legten ihre orangefarbenen Feldbinden ab und zogen zerknitterte, weiße Schärpen hervor, die sie als königstreue Soldaten kennzeichneten. Ihr Anblick erinnerte Campion an Toby. Vavasour Devorax erklärte, dass der Belagerungsring um Oxford durchstoßen sei. Sie befanden sich jetzt auf dem Territorium der Royalisten.
Campions Stimmung heiterte sich auf. Seit ihrer Verschleppung nach London hatte sie das Land nicht mehr gesehen. Das Korn reifte, Hecken und Felder leuchteten in sattem Grün, und als Devorax den Tross auf einen sanften Hügel geführt hatte, richtete sie sich im Sattel auf und schaute zu den Lerchen empor, die am Himmel schwirrend tirilierten.
Vavasour Devorax bemerkte ihren Überschwang und meinte: «Versucht, nach vorn zu blicken.»
Sie folgte seinem Rat und sah in der Ferne das silberne Band der Themse. Wolken warfen weite Schatten über die Landschaft, doch die Stadt am Ufer des blinkenden Flusses lag in der Sonne. Oxford mit seiner Vielzahl an Zinnen und Türmen war von einem mächtigen Erdwall umfriedet, der die neue Hauptstadt des Königs vor seinen Feinden aus dem nahegelegenen London schützte. Devorax warf Campion einen Blick zu. «Sieht gut aus von hier, nicht wahr?»
Sie nickte. «Ja.»
«Aber im Inneren stinkt’s gewaltig», fügte er lachend hinzu und zeigte seine großen gelben Zähne. «Los, weiter!»
Auf dem Wehrgang des hohen Erdwalls waren Gewehrläufe auf sie gerichtet, als sie sich dem Durchlass näherten. Die Wachposten aber machten den Weg sofort frei, als Devorax ihnen seinen Passierschein präsentierte. Vor der eigentlichen Stadtmauer diesseits des Walls mussten sie sich ein weiteres Mal ausweisen. Einer der Wachsoldaten musterte Campion und fragte: «Wer ist sie?»
«Die Königin von Saba», knurrte Devorax.
Als sie das Stadttor passierten, fand Campion bestätigt, was Devorax angedeutet hatte. Es stank tatsächlich. Auf den Straßen herrschte dichtes Gedränge, dichter noch als in London. Devorax erklärte, dass die meisten Universitätsgebäude von der königlichen Armee und den zahllosen Hofschranzen in Beschlag genommen worden seien, die dem König folgten wie Möwen einem Schiff. Die Garnison war riesengroß, und viele der Soldaten hatten ihre Frauen mitgebracht. Die Stadt schien aus allen Nähten zu platzen, zumal sich auch jede Menge Flüchtlinge in ihr aufhielten. Devorax kam auf Lady Margaret und Toby zu sprechen. «Eure Freunde können von Glück sagen.» Sein Tonfall verriet, dass er nicht viel von ihnen hielt.
«Warum?»
«Unterkünfte sind rar in der Stadt und sündhaft teuer. Lady Margaret Lazender aber genießt das Privileg, im Haus von Lord Tallis zu wohnen. Hier geht’s lang.»
Er kannte sich in Oxford bestens aus und führte Campion zielsicher in eine enge Gasse im Zentrum der Stadt. Vor einem der Häuser blieb er stehen und sagte zu Mason: «Du kannst ihr Gepäck hier abstellen.» Und an Campion gewandt: «Wir sind da.» Er beugte sich von seinem Sattel herab und klopfte an die Tür.
Aufgeregt und voller Vorfreude wartete sie darauf, dass die Tür geöffnet wurde.
Devorax kniff die Brauen zusammen und klopfte ein zweites Mal.
Eine Dienstmagd machte schließlich auf und blickte ängstlich zu dem großen, grimmigen Soldaten auf. «Sir?»
«Hast du geschlafen, Mädchen?»
«Nein, Sir.»
«Ist Sir Toby Lazender zu Hause?»
«Nein, aber Lady Margaret, Sir.»
Devorax zeigte auf Campions Gepäck. «Trag das Zeug rein. Beeilung!» Und mit Blick auf Campion, die neben der Tür stand, sagte er: «Worauf wartet Ihr noch?»
«Kommt Ihr nicht mit ins Haus?»
«Wozu? Glaubt Ihr, ich wollte höfliche Konversation betreiben?»
Campion schüttelte den Kopf. Seine barsche Art behagte ihr nicht. «Ich muss Euch danken, Sir.»
«Allerdings. Habt Ihr das Siegel?»
«Ja.»
«Passt gut darauf auf.» Er griff die Zügel kürzer und wendete sein Pferd. «Wenn ich Euch brauche, lasse ich Euch eine Nachricht zukommen. Aber macht Euch keine falschen Hoffnungen.»
Brüskiert warf sie den Kopf zurück und entgegnete: «Von Euch erwarte ich nichts, Sir.»
«Dann ist ja alles gut.» Er lachte. «Wer nichts erwartet, kann auch nicht enttäuscht werden.» Es schien, dass er zufrieden mit sich
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