Das Hexen-Amulett (German Edition)
war. «Ein kleiner Rat noch.»
«Sir?»
«Haltet Euch von den verfluchten Puritanern fern. Sie verachten alles Schöne.» Er gab seinem Pferd die Sporen. Die Hufe schlugen auf dem Pflaster Funken, als er davonsprengte. Campion schaute ihm verwundert nach. Hatte Vavasour Devorax ihr soeben ein Kompliment gemacht?
«Miss?», fragte die Magd irritiert.
«Ist Lady Margaret zu sprechen?»
«Ja, Miss.»
«Führ mich zu ihr.»
Vor lauter Aufregung schwirrte ihr der Kopf, als sie dem Mädchen durch einen langen, dunklen Korridor folgte, bis es schließlich vor einer Tür stehen blieb und anklopfte. Eine herrische, vertraute Stimme rief: «Herein!»
«Miss?» Das Mädchen hielt ihr die Tür auf.
Campion zögerte. Die Stimme wurde lauter.
«Wer ist’s? Soll ich vielleicht raten?»
Fast zaghaft trat Campion vor. Sie hatte manchmal von diesem Moment geträumt, um dem Schrecken in ihrem Gefängnis zu entfliehen, aber nie wirklich geglaubt, die grauen, aufgetürmten Haare und die markant gebogene Nase jemals wiederzusehen. Campion fand sich in einem großen Gartenzimmer wieder und lächelte. «Lady Margaret?»
«Mein Kind!» Lady Margaret kam mit weit ausgebreiteten Armen auf sie zugeeilt. Sie warf sich ihr an den Hals und überschüttete sie mit freundlichen Worten. Campion drückte die ältere Frau an sich, bis sie sanft von ihr zurückgestoßen wurde. Lady Margaret schüttelte den Kopf. «Du weinst ja, mein Kind. Dabei dachte ich, du wärst froh, mich zu sehen.»
«Das bin ich, und Ihr wisst es.» Sie weinte vor Glück und Erleichterung. Dann nahmen sich die beiden wieder in den Arm und redeten aufeinander ein, als bliebe ihnen nur eine Viertelstunde Zeit. Campion lachte und weinte, erzählte und hörte zu und hielt Tobys Mutter bei der Hand gefasst.
Lady Margaret nahm Campion die Haube vom Kopf und zauste ihr Haar. «Du siehst schrecklich aus, mein Kind. Hat dir denn niemand die Haare geschnitten?»
«Man hätte mich fast bei lebendigem Leib verbrannt. Ans Haaremachen war nicht zu denken.»
«Ja, meine Liebe, aber auch wenn’s ans Sterben geht, sollten wir nicht zuletzt auf unser Aussehen achten. Der erste Eindruck ist sehr wichtig, Campion. Der Herr im Himmel mag zwar vor allem an inneren Werten interessiert sein, aber er wäre doch ein Ignorant, wenn er nicht auch einen Blick auf die äußeren Reize werfen würde.» Sie nahm eine Glocke vom Tisch und läutete. «Wir werden jetzt zuerst ein Glas Wein trinken, meine Liebe, und dich dann herausputzen, bevor Toby zurückkommt.»
Eine Tür öffnete sich, und Enid, Lady Margarets Zofe, kam herein. «Ihr wünscht?» Als sie Campion sah, schlug sie überrascht die Hände vors Gesicht und schien den Tränen nahe.
«Enid!» Lady Margaret tat überrascht und sagte: «Hast du eine Maus gesehen?»
«Seid Ihr es wirklich?» Enid flog ihr in die Arme.
Das herzliche Willkommen und die Freude, unter guten Freunden zu sein, rührten Campion wieder zu Tränen.
Lady Margaret räusperte sich. «Der Heilige Geist kann’s wohl nicht sein, Enid. Versuch’s mal mit einer intelligenteren Bemerkung.» Lächelnd ließ sie den beiden einen Moment Zeit, sich zu begrüßen, und bestellte dann eine Flasche Malvasierwein. «Später werden wir uns um Campions Haare kümmern, Enid.» Und mit Blick auf das schwarze Kleid sagte sie: «Deine Trauer um Sir George in allen Ehren, Liebes, aber ich finde, du solltest dich für Toby ein bisschen hübscher machen.»
Campion hielt es für angemessen zu verschweigen, dass ihr Trauergewand Old Tom geschuldet war. «Wie geht es Toby?»
Lady Margaret nahm Platz, straffte ihre Schultern und hob das Kinn. «Seine Stimmung wechselt. Er ist zu Tode betrübt, wenn er glaubt, dich nie wiederzusehen, und Freude, wenn er dann doch wieder Hoffnung schöpft. Ich kann ihn nicht verstehen. In dieser Stadt wimmelt es geradezu von wunderschönen und hochwohlgeborenen Mädchen, von denen manche sogar einen prächtigen Busen haben. Du hast abgenommen, meine Liebe. Eine dieser jungen Frauen wäre eine geradezu perfekte Partie, Lady Clarissa Worlake, doch Toby bleibt stur. Nein, ich verstehe ihn nicht.»
Campion lächelte. «Wollt Ihr wirklich, dass er Lady Clarissa heiratet?»
Enid war mit dem Wein ins Zimmer gekommen. «Sie brächte ihn um, wenn er es täte.»
«Enid! Habe ich dir nicht schon häufig genug die Leviten gelesen?»
«Ja, Mylady.»
Enid schmunzelte über Lady Margarets Schulter hinweg und reichte beiden ein Glas süßen Wein.
«Was macht seine
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