Das Hexen-Amulett (German Edition)
Verletzung?», fragte Campion.
«Er hat zwei Finger verloren», antwortete Lady Margaret und hielt den Ringfinger und den kleinen Finger der linken Hand in die Höhe. «Er schämt sich deswegen und trägt einen Handschuh. Seine Schulter ist noch recht steif, aber er hat sich bemerkenswert rasch erholt. Ich hatte auf der Fahrt hierher mit dem Schlimmsten gerechnet.»
«Wann wird er zurückkommen?»
«Ich dachte, du wärst glücklich, dich mit mir unterhalten zu können.»
«Das bin ich auch, Lady Margaret. Ich könnte kaum glücklicher sein.»
«Ich will’s dir glauben, weil es so hübsch klingt. Toby wird erst gegen Abend zurück sein. Wir haben also noch etwas Zeit für uns. Du musst mir alles erzählen. Enid, du kannst gehen. Der Tisch ist sauber genug.»
Sie unterhielten sich den ganzen Nachmittag über, bis Enid kam, um Campion die Haare zu schneiden und aufzudrehen. Caroline war bei ihrer Schwester und ihrem Schwager. In der von Lord Tallis zur Verfügung gestellten Wohnung hielten sich zurzeit nur Lady Margaret, Toby und ihre zwei Dienstboten auf. Von den Kleidern, die Marta Renselinck für Campion gekauft hatte, billigte Lady Margaret nur eines, und auch das nur zähneknirschend. Sehr viel mehr Gefallen fand sie an dem, was Campion über die Siegel und den Bund zu berichten wusste. «Du bist also reich.»
«Wenn es mir denn gelingen sollte, drei Siegel zusammenzubringen.»
«Für eine junge Frau ist es durchaus zweckmäßig, reich zu sein.» Sie hatte den von Lopez ausgestellten Wechsel nicht annehmen wollen und gesagt, dass Sir Toby als Haushaltsvorstand in allen monetären Angelegenheiten selbst entscheide. «Habe ich richtig verstanden, dass diese hässliche kleine Kröte Cony in Besitz zweier Siegel ist?»
«Ja.»
«Und dieses Scheusal, dein Bruder, steht ihm zur Seite?»
Campion richtete die Schürze und betrachtete sich im Spiegel. «Das Beste habt Ihr noch nicht gehört.»
«Spann mich nicht auf die Folter, mein Kind.»
Campion schaute ihr in die Augen. «Ich bin keine Slythe.» Sie errötete und war sich plötzlich nicht mehr sicher, ob die Wahrheit für eine zukünftige Schwiegermutter wirklich eine so gute Nachricht war. «Ich bin das uneheliche Kind von Kit Aretine.»
Lady Margaret, die ein Faible für Stammforschung hatte und sich mit den Verwandtschaftsverhältnissen des Adels bestens auskannte, war begeistert. «Kit Aretine! Dein Vater? Wie ich mich freue, meine Liebe! Ja, mir fällt ein Stein vom Herzen. Es war mir nämlich, offen gestanden, ganz und gar nicht recht, das Blut der Slythes auf meine Enkelkinder vererbt zu sehen. Das von Aretine ist dagegen durchaus akzeptabel, auch wenn schottisches Blut darin ist, aber daran lässt sich leider nichts ändern.»
«Schottisches?»
«Gütiger Himmel, ja! Kits Mutter war eine McClure, die irgendeinen heidnischen Vornamen trug, ich glaube, Deirdre. Eine hübsche Frau, wie ich annehme, aber definitiv schottischer Abstammung. Sie hat jedoch lange genug in England gelebt, weshalb man hoffen darf, dass sich die ärgsten Anteile dieser Erbschaft verloren haben.» Lady Margaret war alles Schottische ein Gräuel. «Du bist also die Tochter von Kit.»
«Ja.»
«Sein Bankert. Nun, darüber werden wir hinwegsehen müssen. Er war schon immer ein Schelm. Und saß übrigens wie du im Tower ein.»
«Weil er König James als ‹eine schottische Kratzdistel unbestimmten Geschlechts› bezeichnet hat.»
«Lernt man so was im Gefängnis, Kind?», lachte Lady Margaret. «Wo ist dein Vater jetzt?»
«In Amerika, Maryland. Wenn er denn noch lebt.»
«Verstehe.» Lady Margaret schien nicht sonderlich beeindruckt zu sein. «Ob er kommen wird, um nach dir zu sehen?»
«Keine Ahnung.»
«Ich kann nur hoffen, dass er sich inzwischen eine gepflegte Sprache zugelegt hat. Was ich allerdings bezweifle. Diese amerikanischen Siedlungen sind wohl alles andere als kultiviert.»
«Ich bin mir nicht sicher, ob es mir gefiele, wenn er käme.»
«Sei nicht dumm, Campion. Es heißt von Kit Aretine, dass er überaus hübsch und geistreich ist. Ich wollte ihn immer schon einmal kennenlernen.» Sie trat zwei Schritte zurück. «Jetzt siehst du wieder ganz passabel aus. Lass dir noch ein Paar Ohrringe anstecken. Und kneif dir in die Wangen, Kind. Du brauchst ein bisschen Farbe im Gesicht.»
Sie saßen im Schatten der Birnbäume im Garten. Campion lauschte der Geschichte vom Kampf um Lazen Castle und erfuhr, dass Sir Grenville Cony die Familie vertrieben hatte. Die
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