Das Hexen-Amulett (German Edition)
Zimmer des Vaters stand.
«Zum Teufel! Wer bist du!»
Bei den Schultern gepackt, wurde sie rücklings gegen die Wand gedrückt. Der Mann grinste. «Gütiger Himmel! Eine Puritanermaid.» Er hob ihr Kinn mit seinem Zeigefinger an. «Ein reifes kleines Früchtchen.»
«Sir!», ertönte Samuel Scammells Stimme. Er kam aus dem Arbeitszimmer herausgeeilt. «Sir! Das ist Miss Slythe. Wir werden heiraten.»
Der Mann ließ von ihr ab. Er war groß, sein breites Gesicht vernarbt und hässlich, die Nase gebrochen. Ein Schwert hing an seiner Seite, und im Gürtel steckte eine Pistole. Mit Blick auf Scammell fragte er: «Sie gehört Euch?»
«Allerdings, Sir.» Scammell klang nervös. Der Mann machte ihm Angst.
«Nur vom Feinsten, eh? Zweifellos, sie ist die Antwort auf die Gebete eines Puritaners. Ich hoffe, Ihr wisst, wie verdammt glücklich Ihr Euch schätzen könnt. Hat sie’s?»
«Nein.» Scammell schüttelte den Kopf. «Wirklich nicht.»
Der Mann starrte Campion an. «Wir werden uns später unterhalten, Miss. Und nicht, dass Ihr mir weglauft.»
Verschreckt von seinem Körpergeruch und der Gewalttätigkeit, die er ausstrahlte, lief sie davon und eilte in den Stallhof, der von der Sonne aufgeheizt war. Mit Tränen in den Augen setzte sie sich auf den Aufsitzblock und lockte die Kätzchen an, die ihr mit ihrem warmen Fell um die Beine strichen. Es drängte sie zur Flucht. Hier konnte sie nicht bleiben. Sie musste dieses Haus weit hinter sich lassen.
Im Hintergrund waren plötzlich Schritte zu hören. Sie schaute sich um und erkannte den Fremden. Er schien ihr gefolgt zu sein und kam eilends näher. Sein Schwert schlug scheppernd gegen den Wassertrog, und ehe sie sich versah, hatte er sie wieder bei den Schultern gepackt. Er stank aus dem Mund. Sein ledernes Soldatenwams war speckig. Er grinste und bleckte seine faulen Zähne. «Miss, ich bin doch nicht etwa den weiten Weg von London gekommen, um so unfreundlich empfangen zu werden, oder?»
«Sir!» Sie zitterte vor Angst.
«Wo ist es?»
«Wovon sprecht Ihr?» Sie versuchte, sich von ihm loszureißen, hatte ihm aber nichts entgegenzusetzen.
«Sapperlot! Halt mich nicht zum Narren», brüllte er und quetschte ihr mit seiner Pranke die Schulter. Dann lächelte er wieder. «Was seid Ihr doch für ein hübsches Kind. Und sollt an diesen Jammerlappen verschwendet werden?» Immer noch lächelnd stieß er ihr sein rechtes Knie zwischen die Beine und langte mit der freien Hand an den Saum ihres Rocks.
«Das reicht, Mister!», tönte es von der rechten Seite. Tobias Horsnell, der Stallknecht, stand im Torbogen, bewaffnet mit der Muskete, die dazu verwendet wurde, kranke Tiere zu erlösen. «Ich rate Euch, die Frau in Frieden zu lassen.»
«Wer bist du?»
«Die Frage sollte ich Euch stellen.» Horsnell schien sich von der rohen, gewalttätigen Art des Mannes nicht einschüchtern zu lassen. Er hob das Gewehr. «Na, wie wär’s, wenn Ihr jetzt die Finger von ihr nähmt?»
Der Mann gab sie frei, trat zurück und rieb sich die Handflächen. «Sie hat etwas, was ich haben will.»
Horsnell schaute Campion an. Er war ein dünner Mann mit sehnigen, von der Sonne gebräunten Unterarmen. Während der Bibelstunden im Haus hielt er sich immer diskret zurück, obwohl er einer der wenigen Dienstboten war, die zu lesen gelernt hatten. «Was hat das zu bedeuten, Miss Dorcas?»
«Keine Ahnung.» Sie schüttelte den Kopf. «Ich weiß nicht, wonach er sucht.»
«Worum geht’s, Mister?»
«Um ein Siegel.» Der Mann überlegte anscheinend, ob ihm genug Zeit bliebe, die Pistole aus dem Gürtel zu ziehen, doch Horsnell hielt den Lauf der Waffe auf ihn gerichtet. Mit gelassener Stimme fragte er: «Habt Ihr dieses Siegel, Miss Dorcas?»
«Nein.»
«Da habt Ihr Eure Antwort, Mister. Ihr solltet jetzt besser gehen.» Die Muskete verlieh seiner höflichen Aufforderung Nachdruck und blieb auf den Fremden gerichtet, bis dieser den Hof verlassen hatte. Erst dann senkte Horsnell den Lauf und sagte mit schiefem Lächeln: «Sie war gar nicht geladen, aber der Herr behütet uns. Ich hoffe, Ihr habt die Wahrheit gesagt, Miss Dorcas.»
«Das habe ich.»
«Gut. Gelobt sei Gott. Dieser Mann ist ein übler Bursche, Miss Dorcas, und von dieser Sorte gibt’s viele jenseits dieser Mauern.»
Seine Worte verunsicherten sie. Sie hatte kaum Austausch mit Tobias Horsnell, denn von den Gebeten abgesehen, hielt er sich nur selten im Haus auf. Im Grunde kannte er sie kaum, und doch schien er ihre
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