Das Hexen-Amulett (German Edition)
verrate mir doch, was er dir heute gesagt hat.»
Campion und Toby waren so verliebt, dass ihnen die Stunden, die sie nicht zusammen verbringen konnten, endlos erschienen, während die Stunden ihres Beisammenseins allzu rasch verflogen. Sie planten eine Zukunft, die von der Gegenwart keine Notiz nahm, und malten sich ein gemeinsames Leben aus, das einem ewig währenden Sommertag unter blauem, wolkenlosem Himmel glich. Campion konnte ihr Glück kaum fassen. Aber die Wirklichkeit sollte die beiden bald einholen.
Toby sprach mit seinem Vater. Der wehrte das Ansinnen seines Sohnes wie erwartet ab, allerdings heftiger als befürchtet. Sie sei nicht die Richtige, er müsse sie vergessen. Sir George weigerte sich, sie überhaupt kennenzulernen. Seine Ablehnung war rigoros. Bei der Gelegenheit ließ er Toby auch gleich wissen, dass ihm Gefangennahme und Haft drohten, dass er London verlassen müsste.
Der Tag, den Sir George dafür vorgesehen hatte, lag drei Tage vor Campions Verabredung mit Sir Grenville. Als Campion von dem Gespräch zwischen Vater und Sohn erfuhr, sagte sie: «Du musst gehen.» Sie hatte Angst um ihn.
«Nicht ohne dich», erwiderte er entschlossen. «Ich werde warten.»
Mrs Swan hatte Toby in seiner königstreuen Gesinnung längst durchschaut, was sie umso mehr für ihn einnahm. «Ich erinnere mich an Queen Bess, junger Mann, und ich sage Euch, das waren gute Zeiten, o ja, wirklich gute Zeiten.» Dabei hatte Mrs Swan noch am Daumen gelutscht, als Königin Elisabeth gestorben war, aber sie behauptete, sich erinnern zu können, wie sie, auf den Schultern ihres Vaters sitzend, die königliche Kutsche hatte vorbeirollen sehen. «Damals gab es noch nicht so viele selbsternannte Heilige. Man hat im Schlafzimmer oder in der Kirche gebetet. Wir waren glücklicher damals», sagte sie. «Heute herrscht religiöser Wahn», fügte sie kopfschüttelnd hinzu.
Toby lächelte. «Und unter der guten Queen Bess war immer alles gut?»
Mrs Swan wusste, dass er sie necken wollte, aber es gefiel ihr, von einem gutaussehenden Adelsspross im eigenen Wohnzimmer geneckt zu werden. «Auch wenn’s merkwürdig klingt, Master Toby, aber so war’s. Und wenn das kein himmlisches Zeichen für Gottes Wohlgefallen war, weiß ich auch nicht …» Sie legte ihren Stickrahmen ab. «Was hatten wir für einen Spaß! Tom und ich, wir haben bei der Bärenhatz mitgemacht und sind ins Theater gegangen. In Paris Garden war ein Puppenspieler, bei dem lagen wir vor Lachen am Boden. Das waren harmlose Vergnügungen. Und da war kein Rundkopf, der uns gesagt hätte, was erlaubt ist und was nicht. Warum gehen die nicht alle nach Amerika und lassen uns hier in Ruhe. In Amerika sind sie willkommen. Sollen sie doch da ihre schlechte Laune ausleben. Dann könnten wir wieder fröhlich sein.»
Toby lächelte. «Für solche Reden könntet Ihr verhaftet werden.»
Mrs Swan schnaubte verächtlich. «Ja, so weit ist es mit diesem Land schon gekommen. Bald kann man sich nicht einmal mehr auf die Straße trauen.»
Toby reiste weder am Sonntag ab noch am Montag. Er wollte warten, bis Campion Sir Grenville Cony gesprochen hatte, denn er war wie sie voller Hoffnung, dass der Advokat ihr den Weg zur Freiheit zeigen konnte. Die beiden stellten endlose Spekulationen über das Siegel und den Brief an, ja sogar über die perlenbestickten Handschuhe, konnten aber keine schlüssige Erklärung für diese Dinge finden. Wenn es überhaupt eine Antwort gab, war sie bei Sir Grenville zu finden, und solange dieser nicht damit herausrückte, wollte Toby in London ausharren. Auf keinen Fall würde er Campion zurücklassen. Sie planten gemeinsam ihre Zukunft, als könnte die Liebe jede Hürde nehmen.
Inzwischen wurde bereits nach Toby gefahndet. Eine Personenbeschreibung von ihm war an die Stadtwachen verteilt worden. Campion fürchtete um ihn, zumal er kein Risiko scheute. Er zeigte sich offen mit ihr in den Straßen und verzichtete sogar darauf, seine dunkelroten Locken unterm Hut zu verbergen. Am Tag vor ihrer Verabredung mit Sir Grenville wäre er fast erwischt worden.
Sie schlenderten gerade an der Kirche von St. Giles vorbei, beide schlicht und unauffällig gekleidet, allerdings hatte Toby darauf bestanden, ein schwarzes Seidenhemd zu tragen, das unter den aufgeschlitzten Ärmeln zu sehen war. Er lachte über einen Scherz, den er gemacht hatte, als ihnen ein stämmiger Mann den Weg versperrte. Der Mann hob den Arm und zeigte auf Toby. «Ihr
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