Das Hexen-Amulett (German Edition)
wäre alles gesagt.»
«Alles?»
«Selbstverständlich. Glaubst du wirklich, er hätte uns auf die Erde gebracht, damit wir unglücklich sind? Ein Ding, an dem wir Freude haben, ist gut, denn es kommt von Gott.»
«Aber was ist mit den Dingen, an denen manche Anstoß nehmen, weil sie schaden können?»
«Werd ja nicht unverschämt. Ich unterrichte hier dich. Anstößiges ist schlecht und kommt vom Teufel.» Lady Margaret schnaubte. «Diesen Cony hat gewiss der Teufel geschickt, aber denk nur an all die guten Dinge, die uns Gott geschenkt hat. Köstliche Mahlzeiten, Jagdausflüge mit einer Hundemeute, gute Werke, Hochzeiten, hübsche Kleider.» Mit zuversichtlicher Stimme zählte sie eine schier unerschöpfliche Fülle von Segnungen auf. «Gute Bücher, Musik, Muße, Glühwein, Freunde, der Triumph über Rebellen und ein warmes Zuhause. All das sind Gottes Geschenke, mein Kind, und wir sollten dankbar dafür sein.»
Campion versuchte ihre Ängste zu erklären, Ängste, die daher rührten, dass ihr in ihrer Erziehung das Menschenleben als ein permanenter Kampf gegen die allgegenwärtige Sünde beschrieben worden war. Lady Margaret wollte davon nichts wissen.
«Genug. Du machst aus meinem Schöpfer einen ganz und gar unfreundlichen Mann, und das lasse ich mir nicht einreden.»
Campion lernte durch Lady Margaret eine völlig neue Art christlichen Glaubens kennen, einen Glauben, der ohne quälende Gewissenskämpfe und Selbstbestrafung auszukommen schien. Für Lady Margaret war die Welt ein Gottesgeschenk, voller Liebe und den Menschen zur Freude gegeben. Es war ein schlichter Glaube, doch eben darum gefiel er Campion, die der puritanischen Debatten über die Dreifaltigkeit, der Lehre von der Prädestination und der Haarspaltereien über die Frage, wodurch der Mensch erlöst werde, überdrüssig war. Lady Margarets Glaube wurzelte in der Überzeugung, dass Lazen Castle einen Mikrokosmos der göttlichen Weltordnung darstelle. Sie sah in Gott einen vornehmen, allmächtigen Gutsherrn, eine Art himmlischen Sir George Lazender. «Meine liebe Campion, wir erwarten nicht, dass unsere Pächter George anbeten. Dann bliebe die Arbeit am Ende unverrichtet. Wir erwarten aber, dass sie ihm Respekt erweisen und zu uns kommen, wenn sie in Schwierigkeiten sind. Dann werden wir ihnen nach Kräften helfen. Es wäre doch für uns alle äußerst unerquicklich, wenn sie ein Leben lang seinen geheimen Gedanken nachzuspüren versuchten und ihn von morgens bis abends lobpreisen würden. Natürlich erwarten sie auch einiges von uns, zum Beispiel, dass wir am zweiten Montag im Januar, am ersten Mai, zur Ernte und zu Weihnachten ein Fest veranstalten, aber daran haben wir ja selbst unsere Freude. Unsere Pächter sind glücklich, und das macht uns auch glücklich. Wie kann man nur glauben, dass es Gott gefallen könnte, wenn man Trübsal bläst?»
Auf diese Frage gab es keine Antwort, und so nahm Campions Furcht vor Gott allmählich ab und machte einem robusteren, selbstbewussteren Glauben Platz. Sie veränderte sich, sowohl im Inneren als auch äußerlich, was ihr besonders klar wurde, als es kurz vor Weihnachten zu einem Zwischenfall kam, der sie an ihr altes Leben erinnerte und ihr das zaghafte, ängstliche Selbst von damals in Erinnerung rief.
Sir George hatte sich für den König entschieden, diese Entscheidung aber nicht öffentlich gemacht. Die parlamentarischen Regierungsvertreter der Grafschaft hofften nach wie vor auf seine Unterstützung und schickten ihre Steuerschätzer nach Lazen, um Sir Georges Treue auf die Probe zu stellen.
Die Steuerschätzer besuchten jedes Anwesen in den vom Parlament beherrschten Gebieten und forderten Abgaben ein, die helfen sollten den Krieg zu finanzieren. Käme Sir George seiner Steuerpflicht nach, wäre damit seine Treue erwiesen; eine Weigerung, so kalkulierten die Rundköpfe, müsste als eine feindliche Erklärung gewertet werden.
Von schweren Regenfällen aufgehalten, trafen die Steuerschätzer spätnachmittags ein. Sir George, höflich wie immer, öffnete ihnen die Tür des Alten Hauses, ließ sie eintreten und bewirtete sie mit Bier. Er kannte die meisten von ihnen, sie waren Nachbarn und würden womöglich bald seine Feinde sein. Zwei Männer hatte er allerdings nie zuvor gesehen, weshalb er darum bat, ihnen vorgestellt zu werden. «Sir George, das ist der Vikar von Werlatton, Pastor Treu-bis-in-den-Tod Hervey.»
Hervey verbeugte sich lächelnd, um dem offenbar sehr vermögenden Besitzer
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