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Das Hexenbuch von Salem

Das Hexenbuch von Salem

Titel: Das Hexenbuch von Salem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
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Geschichte mit der Ozonschicht. Es ist nicht die Erwärmung an sich, die das Problem ist«, fuhr Grace fort. »Es ist das Tempo. Es geht einfach alles zu schnell. Es passiert vor seiner Zeit. Diese planetaren Rhythmen, weißt du, die beeinflussen alles um sie herum. Das Wetter wird sich wandeln, die Pflanzen verändern sich, die Tiere verlieren ihren natürlichen Lebensraum.« Sie ächzte, offenbar unter der Anstrengung, einen großen Kaktus aus einem Pflanzkübel zu heben, und Connie hörte das Rieseln von trockener Erde auf den Boden jenes so weit entfernten Innenhofes. »Die meisten Menschen begreifen das noch nicht.« Grace hielt inne. »Alles Mögliche, was uns betrifft, ist untrennbar mit der Natur verknüpft. Unsere Auren, unsere Körper, die Art und Weise, wie sie funktionieren. Die Wirkung, die wir auf andere haben. Einige Dinge – Charakterzüge, Neigungen, was auch immer – werden aber vielleicht etwas … ausgeprägter.«
    » Mom « , erwiderte Connie dringlich. »Jetzt hör doch mal zu!«
    »Zum Beispiel«, fuhr Grace fort, ohne sich aus dem Konzept bringen zu lassen. »Hast du gewusst, dass diese Art von unausgewogener Veränderung auch schon vorher passiert ist, allerdings andersherum? Als die Siedler damals in die Neue
Welt kamen, erlebte Nordamerika gerade eine kleine Eiszeit. Das stimmt!« Grace war so aufgeregt, dass sie laut ins Telefon pustete, und Connie hielt sich den Hörer ein Stück vom Ohr weg. Während sie das tat, kroch Arlo unter dem Esstisch hervor, wackelte zweimal mit dem Schwanz und machte sich auf den Weg in die Küche. »… und das war einer der Gründe, warum in jenen ersten Wintern so viele Leute gestorben sind«, sagte Grace gerade, als sich Connie den Hörer wieder ans Ohr hielt. »Hast du jemals Beschreibungen davon gelesen, wie sich die Leute im achtzehnten Jahrhundert angezogen haben?«
    Connie verzog den Mund zu einem freudlosen Lächeln. »Mom, ich studiere Kolonialgeschichte«, sagte sie geduldig.
    »Na, dann weißt du ja, wovon ich rede. All die vielen Schichten Wolle, das wäre im Neuengland von heute mit dem Wetter, wie wir es haben, nicht besonders praktisch, oder?« Sie ächzte noch einmal, offenbar weil sie einen weiteren Topf über die Brüstung des Innenhofes hievte. »Und wenn diese Nordstaatler damals eins waren, dann war es praktisch.«
    Connie holte tief Luft, um einen weiteren Wortschwall ihrer Mutter im Keim zu ersticken, doch Grace schnitt ihr erneut das Wort ab.
    »Natürlich hatte die kleine Eiszeit ihren Höhepunkt bereits Anfang der Neunzigerjahre des siebzehnten Jahrhunderts erreicht«, sagte Grace beiläufig. »Es ist wirklich schade, man kann nie genau vorhersagen, wie sich diese Dinge entwickeln.« Sie seufzte, ein wenig kummervoll.
    1692. Connie hielt inne, den Telefonhörer immer noch fest in der Hand. Ohne sich dessen bewusst zu sein, musste Connie sich am Sideboard festhalten, um sich zu beruhigen. »Mom«, sagte sie mit abwesender Stimme. »Warum erzählst du mir das alles?«

    Grace kicherte wieder. »Ach, ich denke nur laut, Liebes. Will dich nur daran erinnern, dass du deinen Körper als das erfahren sollst, was er ist – eine Ansammlung von wundersamen Zufällen, die eine intelligente Göttin zusammengestellt hat und die auf ihre ganz eigene Weise mit der Welt in Verbindung stehen. Aber sag mir – wie geht’s Arlo? Du vergisst doch nicht, ihn zu füttern, oder?«
    »Nein, ich …« Connie hielt inne. Grace redete immer solch schrägen New-Age-Kram. Sie spürte, dass ihre Mutter ihr gerade etwas Wichtiges mitgeteilt hatte, aber sie benutzte ihre eigene Sprache, um das zu tun. Connie betrachtete sich in dem immer noch mit Spinnweben bedeckten, vergoldeten Spiegel und sah durch all die Schichten der Zeit, die sich auf dem Glas abgelagert hatten, das Bild ihres Gesichts. Wir können die Welt nur begreifen durch die Sprache, die uns zur Verfügung steht. Jede Epoche hat ihre eigene Sprache – und Wahrnehmung – als Linsen. Während sich diese Erkenntnis langsam in ihr festigte, sah sie im Spiegel, wie hinter ihr die Hautür aufging und Sam erschien, eine Tüte mit Lebensmittel in den Armen, aus der auch eine Weinflasche ragte. Ein glückliches Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus.
    »Ich muss dich später zurückrufen, Mom«, sagte sie und bewegte den Hörer in Richtung Gabel.
    »Connie, warte doch«, begann Grace, und ihre Stimme wurde drängend. »Ist er das?«
    »Ich kann jetzt nicht reden, Mom, ich muss auflegen. Hab dich

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