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Das Hexenbuch von Salem

Das Hexenbuch von Salem

Titel: Das Hexenbuch von Salem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
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sagte er mit einem scherzhaften Ton, bei dem Connie eine Gänsehaut bekam. »Ich bin kein Sexist.« Er kicherte, und sie warf einen verwirrten Blick in seine Richtung. Als er ihre Verblüffung bemerkte, wurde sein Lächeln breiter. »Zahllose Männer – einige der größten Wissenschaftler in der Geschichte der Menschheit – haben beträchtliche Kräfte darauf verwandt, den Stein der Weisen zu finden. So wie die Puritaner sich als Auserwählte Gottes für ein höheres Ziel betrachteten, waren auch die alchemistischen Adepten Männer der höchsten Ordnung, die der Ausübung des Großen Werkes würdig waren. Diese wundersame Substanz war dazu in der Lage, niedere Materialien auf einen Schlag in reine zu verwandeln, und konnte zur selben Zeit tief greifende Veränderungen im menschlichen Körper bewirken«, fügte er hinzu. »Obwohl seine Farbe, sein Inhalt, seine Beschaffenheit lange Zeit Anlass zur Diskussion gaben, besteht kein Zweifel daran, dass er Wirklichkeit war. Der Stein der Weisen ist das einzigartige, überaus kostbare und spektakuläre Produkt menschlichen Intellekts und Strebens: ein Kanal für Gottes Macht, der auf den Stoff irdischen Lebens einwirken kann.«
    Während Chilton sprach, lief Connie ein Schauder über den Rücken. Sie sah, dass ihre Hand ganz leicht zitterte.
    »Sie alle«, fuhr Chilton fort, »sind am Ende jedoch trotz ihres immensen Lernens und Forschens, und obwohl sie die
größten Denker ihrer Zeit waren, erfolglos geblieben. Und warum, glauben Sie, war das so?«
    Connie schaute ihn durch die Wimpern ihrer halb geschlossenen Augen an und sah, dass er offenbar wirklich eine Antwort von ihr erwartete. »Weil es ein Mythos ist«, flüsterte sie. »Der Stein der Weisen ist nur eine Allegorie. Er steht für alles, was der Mensch begehrt und niemals haben kann.«
    Chilton warf den Kopf in den Nacken und lachte.
    »Ach! Wie geistreich Sie doch sind!«, rief er aus. »Es ist klar, dass Sie das so sehen. Aber bedenken Sie Folgendes: Keiner von ihnen«, er machte eine bedeutungsschwangere Pause und hob zur Bekräftigung einen Zeigefinger, » keiner von ihnen hat sich die Mühe gemacht, das sprachliche Material in Betracht zu ziehen, welches von den Ausübenden des Volkszaubers in die Waagschale geworfen wurde. Die Alchemisten hatten die Materialien, und sie besaßen das Wissen, aber ihnen fehlte ein entscheidendes technisches Element. Und sie suchten nicht einmal danach! Und warum? Natürlich weil die meisten Ausübenden von Volkszauber Frauen waren! In der frühen Neuzeit hätte ein gebildeter Mann niemals eine weise Frau konsultiert, ganz gleich, wie angesehen sie war, weil ihr gesellschaftlicher Rang und ihre Wissensebene so drastisch geringer gewesen wäre als seine. Die Alchemisten waren brillant, aber in dieser Hinsicht eben auch kurzsichtig. Ich jedoch, als ein Mann meiner Zeit, habe keine solchen von Vorurteilen geprägten Illusionen. Also – haben wir denn nun gefunden, was wir suchen?«
    Überraschung und Angst packten Connie, und ihre Halsmuskeln verspannten sich. Ihr Verstand taumelte, so erstaunt war sie darüber, dass er wirklich zu glauben schien, was er da gesagt hatte. Ich möchte gerne sehen, was Sie anzubieten haben, hatte er am Telefon gefordert. Er war auf der Suche nach
dem Stein der Weisen – und dachte, er stehe kurz davor, ihn zu finden. Der Gedanke kam ihr vollkommen anmaßend vor, doch Chiltons fiebriges Lächeln sagte ihr, dass es stimmen musste.
    Nun war es zwecklos, die Sache weiter hinauszuschieben. Kniend legte sie eine Hand an das wartende Buch, zog es aus seinem Versteck im Regal und stützte es mit einem Arm ab. Dabei schaute sie zu ihrem Doktorvater hoch, um zu sehen, ob er erwartete, dass sie ihm das Buch gleich übergab, aber er schaute zu ihr herab, die Augen begehrlich auf das Buch gerichtet, und was sie in seinem Gesicht las, war die wahre Leidenschaft und Neugierde, die seiner ungeheuren Selbstüberschätzung zu Grunde lagen. Tief in seinem Inneren war Manning Chilton nach wie vor von ganzem Herzen ein Gelehrter. Es mochte ihn noch so sehr nach Reichtum und Einfluss gelüsten, aber sein weitaus größerer Hunger galt der Entdeckung selbst. Kurz die Finger dehnend, nahm sie die Ecke des unbeschrifteten Buchdeckels und klappte es auf. Eine Seite wurde umgeblättert, dann noch eine und noch eine, dann spürte Connie, wie ein winziges Lächeln des Triumphs ihre Mundwinkel nach oben zog.
    »Möchten Sie mal sehen?«, fragte sie und schaute Chilton an. Er

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