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Das Hexenbuch von Salem

Das Hexenbuch von Salem

Titel: Das Hexenbuch von Salem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
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zwischen einer Wechselbeziehung und einer kausalen Beziehung gab. Connie hegte den Verdacht, dass »verhext« gar nicht unbedingt auf ein Wirken magischer Kräfte verwies, sondern nur auf Ursachen, die nicht organisch waren. Auf eine Vergiftung, zum Beispiel, statt allgemein einer Krankheit. Etwas, das auf eine Quelle außerhalb zurückzuführen war, statt auf das rätselhafte Wirken der Vorsehung. Nur weil eine Situation eine magische Lösung hatte, musste das nicht notwendigerweise bedeuten, dass sie auch eine magische Ursache hatte.
    Sie griff nach der alten Flasche, die mit Sams entwendetem Urin halb gefüllt war, und zog den Korken heraus. Die zwei oder drei verrosteten alten Nadeln befanden sich immer noch darin, aber nun warf sie noch drei funkelnagelneue silberne Stiftnägel hinein, die sie in dieser Woche im Eisenwarenladen in Marblehead gekauft hatte. Sie fügte eine offene Sicherheitsnadel sowie eine Stecknadel mit Plastikkopf hinzu, mit der sie sich eines Morgens im Badezimmer in den Fuß gepiekst hatte, die noch immer eingefädelte Nadel aus der grinsenden kleinen Maiskolbenpuppe vom Kaminsims, ein paar neue Heftklammern aus dem Tacker im Nachschlageraum der Widener Bibliothek sowie eine Polsterklammer von der Unterseite einer Bank in der Kirche, in der Sam an dem Tag gearbeitet hatte, als er vom Gerüst gefallen war. Jede neue Beigabe klirrte im Flaschenhals, traf mit einem leisen Zischen auf die Flüssigkeit und ließ eine schwache, aber deutlich sichtbare kleine Rauchfahne aufsteigen. Connie setzte den Korken wieder auf die Flasche und schaute dabei zu, wie das Gemisch zu simmern und zu brodeln begann,
obwohl der Behälter noch auf dem Tisch stand, weit weg von jeglicher Wärmezufuhr.
    Dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit dem Feuer zu und beugte sich hinab, um es erneut mit dem langen Haken zu schüren. Sie fügte ein paar Kiefernzapfen hinzu, die knackten und knisterten, sofort in Flammen aufgingen und das Feuer ordentlich anheizten. In der Handschrift war eine lange Liste von Kräutern und Pflanzen angegeben, die zum Zwecke der »sicheren Aufhebung« des Zaubers verbrannt werden sollten. In den vergangenen Tagen hatte Connie so viele wie möglich im Garten und in dem kleinen Gehölz gesammelt, das das Haus umgab, und sie zum Trocknen im Haus aufgehängt. Nun warf sie zuerst ein getrocknetes Büschel aus Thymian, Rosmarin, Mutterkraut, Salbei und Minze hinein. Die aromatischen Kräuter zerfielen auf der Stelle in einem duftenden blauen Rauchwölkchen, von dem das meiste in den Kamin hochgezogen wurde, doch einiges davon wurde auch über die Kamineinfassung geweht und stieg zur Decke des Esszimmers empor. Connies Nasenflügel zuckten, und sie genoss die scharfen aromatischen Öle der Kräuter, die im Feuer verglühten. Als Nächstes warf sie ein zartes Büschel blühenden Engelwurz hinein, dessen an Spitze erinnernden Blüten ausgetrocknet und bröselig waren. Die Flammen züngelten gierig nach den getrockneten Blüten, und Connies gebeugter Schatten tänzelte hinter ihr über den Boden, während sie arbeitete. Ihr Gesicht leuchtete orangerot im Feuerschein.
    Als Letztes griff sie nach der Plymouth-Rose, einer zarten rosa Blüte, die fast unmöglich zu finden war und die sie, nur wenige Gehminuten von der Milk Street entfernt, am schlickigen Ufer eines kleines Tümpels namens Joe Brown’s Pond aufgespürt hatte, wo sie ein kärgliches Leben fristete. Die Blüten waren verwelkt, noch bevor Connie sie trocknen
konnte, und als sie jetzt nach ihnen griff, ließen sie schwer die Köpfe hängen. Sie warf sie ins Feuer, welches zu Connies Überraschung eine grellweiße Kugel ausspuckte, die mit einem hörbaren Pfff zerstieb. Connie schluckte, ihr Magen verkrampfte sich vor Nervosität, und sie musste sich zwingen, sich wieder der Handschrift zuzuwenden.
    »Man werfe die Flasche ins Feuer und spreche dabei das Vaterunser, gefolgt von dieser überaus wirksamen Beschwörungsformel«, las sie, die Hände in die Hüften gestützt. »Okay«, sagte sie und fragte sich dabei, ob es half, ihre Angst zu besänftigen, wenn sie es laut sagte.
    Es half nicht.
    »Okay«, sagte sie noch einmal, packte die Flasche mit zitternder Hand und hielt sie gegen das schwindende Sonnenlicht. Die Flüssigkeit darin war am Brodeln und Blubbern, die scharfen Nadeln und Nägel schwammen in einem wütenden Wirbel darin herum. »Vater unser im Himmel«, begann sie. »Geheiligt werde dein Name.«
    Während sie das sagte, wandte sich Connie

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