Das Hexenbuch von Salem
hatte die Hände fest unter ihrem Kinn verschränkt und den Kopf auf den Rücken des Pferdes gelegt, doch jetzt verzog sich ihre Miene, und zwei heiße Tränen quollen aus ihren Augenwinkeln. Sie versuchte, sich zu sammeln, weil sie wusste, dass sie ihren ganzen Verstand
brauchte, um die Aufgaben zu erfüllen, die sie sich vorgenommen hatte. Sie richtete die Augen auf ihre Mutter, deren Lippen sich noch immer lautlos bewegten, während ihr Blick über die Gesichter der Frauen schweifte, die neben ihr standen.
»Na gut«, schrie der Richter. »Wenn Ihr Frauen Euch folglich nicht in die Obhut Eures willigen Heilands begeben und hier, im Angesicht Gottes, und vor allen Euren Mitbürgern Eure Sünden gestehen wollt, dann sollt Ihr am Halse aufgehängt werden, bis der Tod eintritt. Habt Ihr noch etwas dazu zu äußern?«
Rebecca Nurse richtete ihren dünnen und vom Alter gebeugten Körper auf und faltete die Hände zum Gebet. In der Menge wurde es leiser, denn ein jeder wollte hören, was diese allseits angesehene Frau, die immerhin volles Mitglied der Kirche war, im Angesicht ihres Todes zu sagen hatte. »Möge der Allmächtige in Seiner Gnade ihnen vergeben«, sagte sie, und in der Menge wurde es so still, dass selbst Mercy die Worte vernehmen konnte, obwohl die Stimme der alten Gevatterin Nurse brüchig und schwach war. »Denn sie wissen nicht, was sie tun.«
Lautes Gemurmel quoll aus den Mündern der Zuschauer, während ein schwarz gewandeter Mann eine Schlinge um Susannah Martins Hals legte. Susannahs Gesicht war nur noch eine fleckige Fratze aus Purpur und Rot; sie weinte haltlos, Rotz stand ihr in Blasen unter der Nase. Als die Schlinge am unteren Ende ihres Schädels festgezogen wurde, begann Susannah ein hohes, von keuchenden Atemzügen durchbrochenes Wimmern, und das Keuchen wurde immer schneller, je mehr sie nach Luft schnappte. Jetzt machte der Mann Anstalten, Susannah mit einem Tritt von der Plattform zu stoßen, und als sein schwerer Stiefel auf ihren gekrümmten Rücken traf, ging ein Schauder der Erregung durch die Menge.
In genau diesem Moment schien sich die Zeit zu verlangsamen, und Mercy sah, wie sich Susannahs Füße von der Plattform hoben. Die Augen nach oben gerichtet, zog sich ihr Gesicht vor Schmerz und Todesangst zusammen, während hinter ihr der Strang nachgab und sie durch die Luft nach unten sauste. Einen Moment später war ein gewaltiges Krachen über den Köpfen der Menge zu hören, und Susannah Martins Körper baumelte leblos am gestrafften Seil. Der linke Fuß zuckte. Die Menge brach in Jubel aus, und Mercy hörte, wie eine Frau, die sie nicht sehen konnte, rief: »Gelobt sei Gott!«
Nun ging der schwarz gewandete Mann zu Sarah Wildes, die auf die Knie gefallen war und um Gnade winselte und bettelte, denn sie sei keine Hexe und könne doch niemals etwas gestehen, von dem sie wusste, dass es eine Lüge sei, denn das sei Sünde, und dass sie Jesus liebe und ihn um Gnade und Vergebung anflehe. Die Menge johlte, während die weinende Frau die Hände vors Gesicht schlug und der dünne, aufgeregte Priester ihr die Hände hielt, um mit ihr zu beten, während der Henker die Schlinge um ihren Hals legte. Ihre Schreie wurden schrill und hoch, als der Priester einen Schritt beiseite machte, der Henker ihr einen Tritt versetzte, und hörten auf einen Schlag auf, als erneut ein lautes Krachen über die Hügelkuppe hallte.
Während man sich an ihrem Hals zu schaffen machte, hielt Rebecca Nurse die Hände unter dem Kinn gefaltet und die Augen geschlossen. Ihr Gesicht sah heiter aus. Sie bewegte die Lippen zum Vaterunser, das sie mehrfach wiederholte, und unterbrach ihr Zwiegespräch mit Gott nicht einen Moment lang, als ihr die Schlinge um den Hals gelegt wurde und der Stiefel des Henkers sie traf und ihren gebrechlichen Körper durch die Luft schleuderte. Als das Seil ihrem Fall mit einem brutalen Ruck ein Ende bereitete, ging ein lauter
Aufschrei durch die Menge, die bis zu diesem Moment nicht recht begriffen hatte, dass diese sanfte, wohl gelittene Frau wirklich gehenkt würde.
Aus den Mündern von Sarah Good und Elizabeth Howe war ein unaufhörlicher Strom von Flüchen und Verwünschungen gedrungen, und eine jede von ihnen spuckte und kickte nach den grabschenden Händen, die sich ihnen inmitten des Jubels aus der Menge entgegenstreckten. »Seid verflucht! Gott verfluche Euch alle!«, schrie Sarah Good, als der grobe Stiefeltritt des Henkers sie traf, und sie fiel zuckend und mit den Armen
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