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Das Hexenbuch von Salem

Das Hexenbuch von Salem

Titel: Das Hexenbuch von Salem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
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um und brachte die Flasche näher ans Feuer. »Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden.« Die Flammen des Feuers züngelten hoch, bis zu den Backsteinen des Herdes, und Connie spürte den heißen Hauch, der aus der Glut aufstieg und sich in den Raum presste. »Unser täglich Brot gib uns heute«, fuhr sie fort und kniff die Augen gegen die Hitze zusammen. »Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung.« Ihre Stimme hob sich; eigentlich hatte sie nie genau zugehört, wenn die Worte gesprochen wurden, aber jetzt brannte das Feuer lichterloh, die Flammen wurden weiß, und sie hatte den deutlichen Eindruck, dass sie sich Gehör verschaffen musste, um das laute Knistern der Flammen zu übertönen. Sie hielt die Flasche schräg über das
Feuer, mit zwei Fingern, die deutlich die sengende Hitze zu spüren bekamen. Blasen bildeten sich. »Und erlöse uns von dem Übel. Denn dein ist das Reich – und die Kraft!« In diesem Augenblick leckte eine Flamme bis zum Glas der Flasche hoch und traf auf den Flaschenboden. »Und die Herrlichkeit. In Ewigkeit. Amen!«
    Sie ließ die Flasche fallen. Ganz langsam sank sie, wie in Spiralen, über den züngelnden Flammen hinab, immer tiefer und tiefer, bis sie in einer Explosion aus Funken auf dem Boden des Kamins auftraf und sich das Feuer mit einem wilden Rauschen darüber schloss. Nun musste sie die Beschwörungsformel aufsagen. Unsicher, was sie mit ihren Händen tun sollte, faltete sie Connie vor der Brust wie zum Gebet und senkte den Kopf. Die frischen Blasen an der Hand, mit der sie die Flasche gehalten hatte, fühlten sich weich und nachgiebig an, als sie mit den Fingern darauf drückte.
    »Agla!«, sagte sie, das Feuer prasselte lauter, und eine dicke Säule aus weißem Rauch stieg empor. »Pater! Dominus!« Mit jedem Wort wurde der weiße Rauch dicker, bis der Kamin ihn nicht mehr aufnehmen konnte und er aus der Feuerstelle hervorquoll und in Wellen bis zu den Deckenbalken stieg und schließlich aus den offenen Fenstern strömte. »Tetragrammaton! Adonai! Himmlischer Vater, ich flehe dich an, bring den Übeltäter zu mir!«
    Als die letzten Worte über ihre Lippen kamen, schien sich der weiße Rauch zu einer greifbaren Substanz zu verdichten, die sich wie ein langschwänziges Wesen aus dem Feuer erhob und quer über die Decke huschte, um aus den Fenstern zu entweichen. In genau diesem Moment zog sich das Feuer mit einem saugenden, schlürfenden Geräusch in sich zusammen. Als Connie die Augen öffnete, lag der Raum plötzlich ganz ruhig da, der Rauch war vollkommen abgezogen, das Feuer knisterte harmlos im Kamin.

    Sie blickte suchend im Zimmer umher, die Hände immer noch unter dem Kinn gefaltet. Da war das Feuer, das gemütlich vor sich hin prasselte. Da war die Flasche, vom Rauch geschwärzt, irgendwo zwischen den Glutbrocken liegend. Da war der Esstisch, auf dem immer noch die Handschrift sowie eine unbenutzte Ansammlung von Kräutern lagen. Mit den Augen suchte sie jede einzelne Oberfläche des Raumes ab und fragte sich, ob sie sich das alles vielleicht nur eingebildet hatte – den Rauch, den Lärm, die springenden Flammen.
    »War es das?«, fragte sie in den leeren Raum hinein. Arlo war nirgendwo zu sehen. Sie schaute unter dem Tisch, und da saß er, ein kleines, zusammengekauertes Fellknäuel in der Farbe der Nacht, und schaute sie mit besorgter Miene an. »Ich glaube, du kannst jetzt rauskommen«, flüsterte sie und winkte ihm. »Es ist vorbei.« Doch der Hund weigerte sich, und Connie stand auf, runzelte die Stirn. Da stimmte etwas nicht. Irgendwie kam ihr das Haus vor, als befinde es sich im Wartezustand, auf der Hut. Sie hielt inne, unsicher, was sie als Nächstes tun sollte.
    Während sie dort beim Tisch stand, die Fingerkuppen auf der Tischplatte, die Augen weit aufgerissen, hörte sie ein Rumpeln in der Ferne, wie von einem Lastwagen, der über eine Holzbrücke davonfährt, nur dass das Geräusch sich zu nähern schien. Bis Bewegung in sie gekommen war und sie es bis zum nächsten Fenster geschafft hatte, wurde das Rumpeln immer lauter, es brachte den Boden unter ihren Füßen zum Beben und schien die breiten Kiefernholzdielen aufzuwerfen und zu erschüttern. Connie fiel auf die Knie, während das Beben in die Wände des Hauses fuhr, das Geschirr in dem Alkoven im Esszimmer zum Klirren brachte und die Blumenampeln mit den Grünlilien in heftige, ruckartige Schwingungen

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