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Das Hexenbuch von Salem

Das Hexenbuch von Salem

Titel: Das Hexenbuch von Salem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
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vorzubereiten, schien das Haus die pflanzlichen Schatten abzuschütteln, die es den ganzen Sommer über eingehüllt hatten, und sich inmitten einer sich wandelnden Welt draußen endlich selbst mit Leben zu füllen. In genau diesem Moment frischte eine neue Bö auf und nahm einen weiteren Schwung Blätter mit. Connie holte tief Luft und genoss den satten Geruch der Erde, die ihre Vorbereitungen für die kalte Jahreszeit traf.
    Auch sie selbst hatte Vorbereitungen zu treffen, fiel ihr jetzt ein, und so wandte sie sich vom Fenster ab. Auf dem
Tisch hatte sie die umfangreiche Dane-Handschrift liegen, auf der Seite aufgeschlagen, die mit den Worten »Methode für die Beseitigung von Anfällen « übertitelt war. Außerdem lagen da ihre eigenen handschriftlichen Notizen, diverse Kräuter, die sie im Garten gesammelt und aus den Einweckgläsern genommen hatte, einschließlich der Alraunenwurzel und der Flasche, die sie mitsamt Inhalt aus dem Krankenhaus geschmuggelt hatte. Gleich neben diesen Utensilien stand die alte Öllampe, bereits angezündet und für den Moment bereit, wenn das Tageslicht allzu früh dahinschwinden sollte. Sie ging zum Kamin zurück, in dem sie mit einiger Mühe – der Schornstein wollte nicht recht ziehen, weil er mit jahrzehntealtem Ruß verstopft war – ein kleines, aber gleichmäßig brennendes Feuer entfacht hatte. Sie bückte sich und stocherte mit einem langen Schürhaken in der Glut, wodurch ein glitzernder Funkenregen vor der Backsteinwand des Kamins herabrieselte. Ein eiserner Kessel hing, um das Bild komplett zu machen, an einem Haken neben dem Feuer. Sie lehnte den Schürhaken an die Wand und schaute zu Arlo, der, die Pfoten artig nebeneinander, unter dem Tisch saß.
    »Jetzt fehlt bloß noch ein spitzer Hexenhut«, bemerkte sie. Er zwinkerte.
    Der Plan war ganz einfach. Den Schutzzauber hatte sie bereits unter Sams Kopfkissen gelegt. Nun beschrieb das Rezept ein kurzes Ritual, mit dem man einen sogenannten Schadenszauber – darunter verstand man offenbar das, was ihn krank machte, wobei die Handschrift in diesem Punkt mehrdeutig war – von einer Person abwandte, die an Anfällen litt. Sie würde dieses Ritual durchführen und damit Sam von seiner Erkrankung befreien. Der Zettel mit dem Zauberspruch unter seinem Kopfkissen würde verhindern, dass der Schadenszauber noch einmal wirken konnte. Sie
war darauf gefasst, bei der Ausübung Schmerzen zu haben; bei jedem Experiment, das sie durchgeführt hatte, sei es mit den Pflanzen oder den Gegenständen zur Weissagung, hatte sie von Mal zu Mal mehr gelitten. Connie legte die Fingerkuppen auf den Tisch und schloss die Augen. Hatte denn auch Grace Schmerzen, wenn sie die Auren ihrer Freunde in Santa Fe klärte? Connie würde sie fragen müssen. Ein winziges Lächeln spielte um ihre Lippen. Die vernunftbetonte Seite in ihrem Inneren schreckte immer noch vor dem zurück, was sie vorhatte, doch diese Stimme war in den letzten paar Wochen mehr und mehr in den Hintergrund getreten. Stattdessen konzentrierte sie sich jetzt ganz auf Grace, stellte sich ihr freundliches Gesicht vor und ihre unerschütterliche strahlende Zuversicht gegenüber allem, was Connie zu Wege bringen konnte. Und sie dachte an Sam.
    Sie öffnete die Augen. »Dann mal los«, verkündete Connie in den leeren Raum hinein, und schob die Ärmel ihres Rollkragenpullovers bis über die Ellbogen hoch. Dann fuhr sie mit dem Finger so lange über die Seite des Manuskripts, bis sie die Stelle gefunden hatte, die sie suchte.
    »Um festzustellen, ob das lebensbedrohliche Leiden eines Menschen darauf zurückzuführen ist, dass er verhext wurde«, las sie laut vor, »fange man sein Wasser in einer Hexenflasche auf, werfe ein paar Nadeln oder Nägel hinein und koche es auf sehr heißer Flamme.«
    In den vergangenen Tagen hatte Connie viel darüber nachgegrübelt, was wohl unter dem Begriff »verhext« zu verstehen war. Die Sprache des sonderbaren Buches schien sich über die Jahrhunderte hinweg durchaus verändert zu haben, und die Wortbedeutungen wandelten sich ebenso wie die Bezeichnungen für das Buch selbst, je nachdem, wer die Einträge in das Buch verfasst hatte. In der Neuzeit verstand man unter »verhexen« einen Vorgang, der durch Magie,
also durch übernatürliche Kräfte, verursacht wurde. Die Menschen in der frühen Neuzeit hatten jedoch noch in einer Welt gelebt, die kein wissenschaftliches Vorgehen kannte und für die es noch kein differenziertes Verständnis des Unterschiedes

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