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Das Hexenbuch von Salem

Das Hexenbuch von Salem

Titel: Das Hexenbuch von Salem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
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drehte den Untersetzer unter ihrem Cocktailglas. »Grace hat ihre eigene Zeiteinteilung«, sagte sie.
    In Wirklichkeit war es so, dass Grace zwar Ende September verkündet hatte, sie habe es sich mit dem Verkauf des
Hauses in der Milk Street anders überlegt und wolle stattdessen aus Santa Fe zu ihren »Wurzeln« zurückkehren, aber dennoch immer ihre Gründe hatte, nicht nach Cambridge zu kommen. Es sei zu viel im Garten zu tun, oder es gebe zu viele Aura-Klärungen, um die sie sich kümmern müsse. Connie hatte den Verdacht, dass es ihr einfach lieber war, wenn ihre Tochter zu ihr kam. Sie hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, an den Wochenenden mit ihrer Mutter im Haus herumzupusseln, das mit dem beträchtlichen Erlös aus dem Verkauf von Graces Haus in Santa Fe von seiner Steuerschuld befreit worden war. Zusammen schufen sie Platz für die Kräuter im Garten, beschnitten den wuchernden Efeu über den Fenstern. Sie redeten nicht darüber, weil sie es vorzogen, schweigend zu arbeiten. Doch eines Nachmittags, als Connie an Grannas klauenfüßigem Sekretär saß und über irgendwelchen handschriftlichen Notizen grübelte, blickte sie auf und sah ein Fensterleder, das auf dem staubigen Fenster über dem Schreibtisch einen blanken Streifen frei rieb. Dann tauchte an der sauberen Stelle das Gesicht ihrer Mutter auf, die draußen im Garten stand, den Lappen in der Hand, lächelnd, das lange Haar schwenkend. Und Connie lächelte zurück.
     
    Später an jenem Abend gingen Connie und Sam auf dem Heimweg zum Saltonstall Court die kopfsteingepflasterten Straßen von Cambridge entlang, zwischen sich Liz, die deutlich einen im Tee hatte und gestützt werden musste.
    »Ich kann esss immer noch nicht glauben, dass du esss verbrannt hasss«, stöhnte Liz und wackelte bedenklich mit dem Kopf. »All dieses herrliche Latein! Zeug, das seit Jahrhunderten keiner mehr zu Gesssicht bekommen hat! Ach!« Sie lehnte sich noch schwerer auf Connie und legte in gespielter Bestürzung den Kopf an die Schulter ihrer Freundin. »Wie
egoistisch! Da hätte man eine ganze Dissertation in Altphilologie draus machen können, weisss du.«
    Connie packte Liz’ Taille fester und hievte ihre Freundin einen Bordstein hoch.
    »Ich fand es schrecklich, es zu tun«, sagte Connie. »Aber Chilton stand direkt vor mir. Mir blieb einfach nichts anderes übrig. Er dachte, das fehlende Element für den Stein der Weisen befinde sich in dem Buch. Sagte so etwas wie, ›es sei der Kanal für Gottes Macht auf Erden‹.« Sie erschauderte. »Ich hatte eine Mordsangst!«
    »Petrus«, lallte Liz. »Dasss isss der Stein der Weisen.«
    »Wie bitte?«, fragten Connie und Sam im Chor und schauten sich über Liz’ Kopf hinweg an.
    »Ich aber ssage dir, du bisss Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen! Oder ssso ähnlich.« Liz wedelte mit der Hand, wie ein Redner im alten Rom, und kicherte. » Petros ist griechisch und heißt Fels. Iss’ne Tautologie, wie ein weißer Schimmel. Die Bibel ist voll von solchen Rätseln.« Sie hickste. »Ich dachte, das wüsstest du. Hättest mal besser mehr Latein gelernt.«
    Connie pfiff durch die Zähne. »Unglaublich. Dann ist es also gar keine Substanz. Petrus ist der Fels – auf Petrus werde ich meine Kirche bauen.« Sie hielt inne. »Dann hatte Chilton also halbwegs Recht. Den Stein der Weisen gab es wirklich. Aber es war gar kein Stein, und es war nichts, das man aus Elementen und mit Experimenten machen kann. Es war eine Person – eine Idee. Jemand, der Gottes heilende Kraft auf Erden verbreiten kann.«
    »Wow«, sagte Sam.
    Connie richtete ihren Blick an den Nachthimmel über ihnen. Die orangeroten Lichter der Stadt überstrahlten die wenigen Sterne, die man in Marblehead sehen konnte, doch in dieser Nacht hatte sie den Eindruck, sie durch die Dunstglocke
hindurch glitzern sehen zu können. Einen Moment lang schloss sie die Augen und freute sich an dem Wissen, das nur sie allein besaß.
    Dann konnte sie schließlich nicht widerstehen. »Ich sag dir jetzt was, und ich will kein Wort von dir hören. Versprochen?« Sie schaute Liz in die Augen, die trotz ihrer Beschwipstheit zu glänzen begonnen hatten.
    »Wasss denn?«, flüsterte Liz.
    Connie beugte sich zu ihr und hielt den Mund ganz nah an Liz’ wartendes Ohr. »Radcliffe war mit der Aufnahme seiner Spezialsammlungen auf Mikrofiche schon weiter als Harvard.«
    Einen Moment lang herrschte Stille, während Connies Feststellung langsam in Liz’ Gehirn

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