Das Hexenbuch von Salem
hatte Recht – das Haus ist ein Saustall.«
Liz spülte den Schmutz aus der Küchenspüle, dann schrubbte sie das Gemüse. »Ich dachte, wir fangen am besten in der Küche mit dem Putzen an, denn hier musst du wohl essen, und nach dem Abendessen kümmern wir uns um die Schlafzimmer, damit wir ein sauberes Plätzchen zum Pennen haben. Ach, was glaubst du eigentlich, wie lange wir morgen zum Bahnhof brauchen werden? Zwanzig Minuten? Ich möchte einfach wissen, wann wir morgens aufstehen müssen. Ich denke, wir sollten einfach heute Abend schon ein gutes Stück weiterkommen, damit du in der kommenden Woche wenigstens aus dem Gröbsten raus bist.«
Liz fröhliches, tatkräftiges Geschnatter riss Connie vollends aus ihrem Tagtraum und erinnerte sie daran, dass Grannas Haus sich vielleicht wie ein Zwischenraum oder eine Falte im Gewebe der Zeit anfühlen mochte, doch eigentlich nur ein Haus war wie jedes andere – älter möglicherweise, in wesentlich schlechterem Zustand, aber doch immer noch ein Haus. Sie rieb sich mit den Händen über ihre Oberarme und dachte an all die Symbole ihrer normalen Welt, die sie wie Talismane mit hierher gebracht hatte – Liz, ihre Pflanzen, ihre Bücher, ihren Hund. Das würde mit Sicherheit ein ungewöhnlicher Sommer werden, aber auch nicht so viel anders als sonst. Bloß mehr putzen würde sie wohl. Beruhigt von diesen Gedanken ging Connie neben Arlo in die Hocke, um ihm die Wurzel aus dem Maul zu nehmen.
»Was ist das denn, kleiner Kerl?«, fragte sie und griff behutsam zwischen seine Zähne. »Hast du eine wilde Karotte ausgebuddelt?« Gehorsam ließ das Tier die Wurzel in ihre
Hand fallen und schaute dann, um Lob heischend, zu ihr empor.
Als Connie sah, was sie da in Händen hielt, stieß sie einen Schrei aus, wich erschrocken zurück und ließ das Gewächs zu Boden fallen. Ohne nachzudenken, wischte sie sich automatisch die Finger an ihrer Jeans ab, rieb ganz fest, um jegliche Reste an ihrer Haut zu beseitigen.
»Was ist denn?«, fragte Liz. »Hat er Flöhe?«
»O mein Gott«, keuchte Connie. Ihre Halsschlagader pochte heftig und schnell, und sie zwang sich dazu, langsam ein- und auszuatmen, um sich zu beruhigen. »Nein, das ist es nicht. Fass das bloß nicht an!« Sie kniete auf dem Küchenboden und schaute das leblose Gewächs an, das da zwischen Lehmklumpen vor ihr lag.
»Warum?«, wollte Liz wissen und schaute Connie über die Schulter. Sie rümpfte die Nase, als sie sich die missgebildete Scheußlichkeit näher betrachtete. »Igitt. Was ist das denn?«
Connie schob den Hund weg, der gemerkt hatte, dass das Lob, mit dem er gerechnet hatte, ausbleiben würde. Sie schluckte und blickte sich in der Küche um, auf der Suche nach einem Werkzeug, mit dem sie die Wurzel aufheben könnte.
»Ich habe guten Grund zu der Annahme, dass unser kleiner Kumpel uns eine Alraune gebracht hat«, sagte sie. Mit zwei spitzen Fingern und einem dicken Knäuel Küchenpapier hob sie die Pflanze an einem Blatt hoch und hielt sie in Armeslänge Liz hin, damit sie sie betrachten konnte. »Ich hab davon bisher immer nur Zeichnungen in Gartenbüchern gesehen, aber die Wurzeln haben angeblich Menschengestalt. Siehst du?« Sie zeigte auf die an Beine erinnernde Form der Wurzel, die sich ab der Mitte verzweigte, und auf die zwei dicken Ausstülpungen links und rechts, die wie Arme wirkten.
»Und?«, fragte Liz.
»Und – sie gehören zu den giftigsten Pflanzen, die dem Menschen bekannt sind«, sagte Connie. »So giftig sogar, dass der Legende nach jemand, der versucht, eine auszugraben, auf der Stelle stirbt. Daraus folgt, dass man einen Hund braucht, der sie für einen ausbuddelt.« Sie schaute zu Arlo hinab. Natürlich, so sagte sie sich, beruhte diese Legende mehr auf der Tatsache, dass Hunde sowieso alles ausgraben, ob nun giftig oder nicht, als auf der, dass es für Menschen nicht möglich war, Alraunen gefahrlos auszugraben. Der Hund wedelte mit dem Schwanz. »Außerdem«, fügte sie hinzu, »wird in einigen Gartenbüchern der frühen Neuzeit behauptet, die Alraune schreie, wenn sie der Erde entrissen wird.«
»Gruselig«, flüsterte Liz und spähte zu der Pflanze. »Was hatte denn deine Großmutter damit zu schaffen, dass etwas so Gefährliches in ihrem Garten wächst?«
»Keine Ahnung. Sie hat aber noch ein paar andere verrückte Sachen draußen«, sagte Connie. »Hast du die Tollkirsche gesehen?« Sie schüttelte den Kopf und hielt dabei noch immer die menschenähnlich geformte Knolle
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