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Das Hexenbuch von Salem

Das Hexenbuch von Salem

Titel: Das Hexenbuch von Salem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
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teils umgeben von einer Staubwolke, die durch den Fall des Buches aufgewirbelt worden war. Sie streckte die Hand aus, um die Bibel aufzuheben, als ihr Blick auf etwas Kleines, Glänzendes fiel, das zwischen den Seiten hervorlugte. Connie schob die Lampe näher heran, fuhr mit der Fingerspitze am Buchschnitt entlang, bis sie das winzige, schimmernde Objekt gefunden hatte, und zog es dann langsam aus seinem Versteck heraus.
    Es war ein Schlüssel. Ein alter Schlüssel, gute sieben Zentimeter lang, mit einer kunstvoll geschmiedeten Reide und einem hohlen Schaft, wahrscheinlich für eine Tür oder eine mittelgroße Truhe gefertigt. Sie drehte den Schlüssel im weichen Licht der Lampe hin und her und fragte sich, warum er wohl in der Bibel versteckt gewesen war. Für ein Lesezeichen war er eindeutig zu dick. Während sie das kleine Metallobjekt mit den Händen anwärmte und darüber nachgrübelte,
was es zu bedeuten hatte, bemerkte sie, dass ein winziger Fetzen Papier aus dem Ende des hohlen Schlüsselschafts lugte. Ihre Brauen zogen sich zusammen, während sie ihn genauer betrachtete.
    Ganz vorsichtig und behutsam packte sie das Ende des Papiers mit dem Daumennagel und zog es langsam aus dem Schaft. Es sah aus wie ein winziges Stück Pergament, das zu einem Röhrchen zusammengerollt war. Sie legte den Schlüssel auf ihrem Schoß ab und hielt das Pergament unter die Lampe, wobei sie das knisternde, brüchige Papierstückchen einen Millimeter weit aufrollte. Es war braun und fleckig, gerade eben so lang wie ihr Daumen.
    Darauf standen in wässriger Tinte geschrieben, die bei dem flackernden Licht kaum lesbar war, die Worte Deliverance Dane.

INTERLUDIUM
    STADT SALEM, MASSACHUSETTS
MITTE JUNI I682
     
    M ajor Samuell Appleton, Esquire, wackelte in seinem Stiefel mit den Zehen und runzelte die Stirn. In seinem großen Zeh pochte schon seit Wochen ein dumpfer Schmerz, der ihm immer mehr Sorge bereitete. Auch jetzt konnte er den Zeh spüren, geschwollen und heiß, wie er in dem steifen Leder seines Schuhs so schrecklich scheuerte und schabte, und seine dicken wollenen Strümpfe machten das Wüten nur noch schlimmer. Er seufzte. Vielleicht konnte ihm ja seine Frau noch einmal einen Breiumschlag machen, wenn er sein Tagwerk verrichtet hatte. In seinem Unbehagen rutschte er auf seinem Stuhl hin und her und tupfte sich die Stirn mit einem Schnäuztuch ab. Gähnend lag noch der ganze Nachmittag vor ihm, und er sandte ein Stoßgebet zum Himmel, dass er rasch vorübergehen möge.
    Draußen herrschte ein trockener und warmer Tag, und gelbe Sonnenstrahlen ergossen sich durch die Fenster des Bethauses und bildeten helle Lichtpfützen auf den Holzdielen. Appleton saß in einem prachtvoll bestickten Lehnstuhl hinter dem breiten Bibliothekstisch im vorderen Teil des Raumes, die Ellbogen auf den Tisch gestützt, die Arme verschränkt. In dem Raum vor ihm summte es wie in einem Bienenkorb, während die Männer und Frauen, plaudernd und dicht gedrängt in den Zuschauerbänken, auf den Beginn der
Gerichtsverhandlung warteten. Weiße Hauben beugten sich über Strickzeug und Nadelarbeiten; Männer steckten die sonnenverbrannten Köpfe zusammen und nickten. Diejenigen, die sich vor Gericht zu verantworten hatten, saßen mit mürrischen Mienen ganz vorne, einige rangen die Hände. Appleton brummte vor sich hin. Beim Gerichtstag war immer allerhand geboten. Dafür, dass diese Leute alle so gottesfürchtig waren, sinnierte er, hegten sie recht viel Interesse an den Vergehen ihrer Nachbarn. Dirnen und Gesindel allesamt, dachte er.
    Appletons Blick wanderte zu seiner Linken, wo die Geschworenen selbstzufrieden auf einer Reihe von Stühlen mit kerzengeradem Rücken saßen und darauf warteten, über ihre Mitbürger Recht zu sprechen. Die meisten von ihnen kannte er vom Sehen: Lieutenant Davenport, der Sprecher der Geschworenen, war ein anständiger Mann mit furchterregendem Äußeren. Quer über sein Gesicht zog sich eine dunkelrote Narbe, die er sich bei den Indianerkriegen im Osten zugezogen hatte und ihm ein wildes und wütendes Aussehen verlieh, doch darunter verbarg sich eine aufrechte Seele. Neben ihm saß William Thorne, ein freundlicher Geselle, der an der Ipswich Road ein Wirtshaus betrieb, und Gevatter Palfrey, ein Korduanschuhmacher, der mit Vorliebe bei städtischen Angelegenheiten seine Dienste anbot. Appleton schnaubte verächtlich. Palfrey war in diesem Jahr bei fast jedem Prozess Geschworener gewesen, zusätzlich zu seiner Ernennung zum

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