Das Hexenbuch von Salem
geschnittene, feine Reithosen trug, dazu ein Hemd, modisch knapp an den Ellbogen, mit einem ausladenden Spitzenkragen, der sich fast bis zu den Ellbogen erstreckte, richtete sich zu seiner ganzen Größe von sechs Fuß auf und stolzierte nach vorne. Mit dem jungen Richard Saltonstall sollte einmal jemand ein ernstes Wörtchen reden, dachte Appleton. Und die Locken würde ich ihm bei Gelegenheit am liebsten selbst stutzen. Richards Vater war nie so aufgetreten. Kaum schenkt der Herr deinen Schiffen günstige Winde, lässt du es an Gottesfurcht mangeln.
»Danke schön, Sir«, sagte der Anwalt mit wohl tönender und selbstbewusster Stimme. »Wird mir ein Vergnügen sein.« Er drehte sich zu den voll besetzten Zuschauerbänken und verkündete: »Gevatter Peter Petford, Beschuldigter, möge zur Befragung nach vorne treten!«
Der verschlagen wirkende Mann, den Appleton zuvor beobachtet hatte, wie er auf seinem Stuhl schaukelte und während der Zeugenaussagen den Kopf in den Händen hielt, stand unsicher auf. Saltonstall wies ihm einen Stuhl auf einer Seite des Bibliothekstisches an, und Petford nahm unbeholfen Platz. In der Ecke hockte Elias mit gezücktem Gänsekiel, bereit, auch die unbedeutendsten Äußerungen zu Papier zu bringen. Saltonstall bat Appleton mit einem kurzen Blick um seine Zustimmung, und der nickte.
»Gevatter Petford, seines Standes freier Bauer«, begann Saltonstall. »Ihr steht hier unter Anklage verschiedenster Akte der Verleumdung, weil Ihr die übelsten Lügen über Gevatterin Dane in der Stadt verbreitet und ihren Ruf damit
geschädigt haben sollt. Dafür steht Ihr nun hier vor Gericht. Ich erwarte, von Euch die Wahrheit zu hören und nichts als die Wahrheit.«
»Ich bin ein Mann des rechten Glaubens«, sagte Petford mit bebender Stimme. Er ließ den Kopf hängen und wandte das Gesicht ab. Appleton bemerkte, dass Petfords Wangen eingefallen und dunkel wirkten und die Haut an seinem Schädel spannte. Er sah gottserbärmlich aus, wie ein gebrochener Mann.
»Wie kam es denn, dass Ihr Gevatterin Dane zu Eurer siechen Tochter gerufen habt?«, wollte Saltonstall wissen, wobei er die Frage kühn an das versammelte Volk zu richten schien. Er hatte die Hände auf dem Rücken verschränkt und drang mit seiner dröhnenden Stimme bis in den letzten Winkel des Bethauses vor.
»Ich hatte gehört, dass sie recht beschlagen sei, wenn es um Medizin für Kranke geht«, murmelte Petford.
»Und wer soll dies gesagt haben?«, fragte der Anwalt.
»Jeder, der davon Kenntnis hat«, erwiderte Petford unsicher. »Gevatterin Dane ist wohlbekannt in der Stadt.«
»Und Martha, Eure Tochter, lag krank zu Bett.«
»Am Montag noch war sie im Garten zu Gange und arbeitete, doch am Dienstag schon stand sie nicht mehr auf. Und eine Woche später war sie tot.«
»Wie, tot?«, fragte Saltonstall.
»Ich weiß es nicht«, flüsterte Petford. »Sie schrie wie gepeinigt und sagte, man steche sie mit Nadeln. Ihre Kleider schienen sie zu quälen, als würde sie bei lebendigem Leibe gekocht.« Einen Moment lang stockte ihm die Stimme, und er hielt inne, um sich zu räuspern. »Sie hatte Krämpfe«, endete er.
»Kam Gevatterin Dane sogleich, als Ihr sie rieft?«, drängte Saltonstall weiter.
»Ja, das tat sie, und sie zeigte auch keinerlei Überraschung darüber, dass ich sie gerufen hatte«, erwiderte Petford nickend.
»Sie kam zu Euch ins Haus, um dem Kinde zu helfen«, bestätigte Saltonstall.
»Ja, so war es.«
»Und welche Behandlung ließ besagte Dane ihr angedeihen?«, fragte Saltonstall.
Petford zog die Stirn in Falten und dachte nach. »Es schien, als halte sie ihr den Kopf und flüstere ihr zu, und dann gab sie ihr etwas aus ihrer Tasche zu essen.«
»Welche Art von Medizin gab sie dem Kinde?«, wollte Saltonstall wissen.
»Eine Art Tinktur, ich weiß nicht, was es war.«
Saltonstall ging nachdenklich im Raum auf und ab und nickte. »Und wie roch es?«, fragte er und zog, während er den Beschuldigten anblickte, eine Augenbraue hoch.
»Überaus schlecht«, sagte Petford.
»Und trank das Kind die Medizin?«, fuhr Saltonstall fort, dieses Mal mit Blick zu den Geschworenen. Geschlossen und mit finsterer Miene saßen sie da; Palfrey nickte.
»O ja, sie trank sie«, sagte Petford, »und dann schien es plötzlich, als würde sie von unsichtbaren Händen gepiesackt und am Kopf und an den Schultern geschlagen.« Bei dieser Enthüllung ging ein leiser Aufschrei durch die Menge, und viele Augenpaare richteten sich
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