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Das Hexenbuch von Salem

Das Hexenbuch von Salem

Titel: Das Hexenbuch von Salem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
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ihrem Inneren herrschte. Schon oft hatte sie darüber gestaunt, dass Professor Chilton vollkommen unbeeinträchtigt von den Elementen schien – niemals hatte sie seine Schuhe im Winter salzverkrustet gesehen oder erlebt, dass seine Handflächen verschwitzt waren. Heute saß er hinter seinem breiten, mit Leder bezogenen Schreibtisch, ein frischgebügeltes Hemd aus Oxford-Baumwolle war farblich perfekt auf die sorgfältig gebundene Fliege abgestimmt. Er legte das Pergamentstück auf den Tisch, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und schaute sie an.
    »Aber natürlich. Die Puritaner hatten doch bekanntlich
eine Vorliebe für biblische Namen, die Kardinaltugenden bezeichnen. Deliverance - also Befreiung, Erlösung.«
    »Na schön«, lenkte Connie ein. »Aber ich dachte immer, im Allgemeinen hätten sie biblische Namen bevorzugt, wie Sarah, Rebecca oder Mary.«
    Die trockene Hitze in dem Raum raubte ihr jegliche Konzentration. Man könnte wirklich meinen, in Harvard hätten sie kein Geld, um Klimaanlagen einzubauen, dachte sie. Über Chiltons Bücherschrank drehte sich träge ein Ventilator in der Nachmittagssonne und versetzte die schwere Luft an der Decke des Büros in Bewegung, ohne sie jedoch abzukühlen.
    »Das auch«, sagte Chilton. »Aber von Tugenden hielten sie ebenfalls sehr viel. Solche Namen waren damals wirklich geläufig. Chastity – Keuschheit -, Mercy – Barmherzigkeit - , alles, was das Herz begehrt.«
    »Aber Deliverance?«, beharrte sie. »Der ist mir noch nicht untergekommen.«
    »Vielleicht nicht so gängig wie Mercy, aber durchaus geläufig«, erwiderte er und bildete mit den Fingerspitzen ein kleines Dach vor seiner Brust, während seine Ellbogen auf der Armlehne ruhten. »Wo haben Sie das noch mal gefunden?«, fragte er.
    »Im Haus meiner Großmutter in Marblehead«, sagte Connie und zog das Pergamentstück über Chiltons Tisch hinweg zu sich.
    »Ein Rätsel«, sagte Chilton. In den Augen hinter seinen Fingerspitzen schimmerte Interesse, als wäre etwas Köstliches vor seinem inneren Auge vorbeigezogen, das Connie nicht sehen konnte. »Vielleicht könnten Sie mal bei der dortigen historischen Gesellschaft nachfragen. Oder Sie schauen in den Kirchenbüchern nach, ob sich darin ein Eintrag über eine Geburt oder Heirat findet. Natürlich nur, um Ihre Neugier zu befriedigen.«

    Connie nickte. »Ich glaube, das mache ich«, sagte sie und schloss ihre Hand fest um den kleinen Zettel. Sie hatte Chilton nichts von dem Schlüssel gesagt, hauptsächlich deshalb, weil sie sich seinen Fundort nicht erklären konnte. Warum sollte irgendjemand einen Schlüssel in eine Bibel legen? Die Entdeckung beschäftigte sie, seit sie ihn mit dem seltsamen Pergamentstück darin gefunden hatte. Sie trug ihn in ihrer Tasche und befingerte ihn ganz oft, als würde sich allein durch die Berührung seine Herkunft erschließen.
    »Aber, Connie«, sagte Chilton und blickte sie über seine gefalteten Hände an. »Wo stehen wir denn nun mit dem Themenvorschlag für Ihre Dissertation? Ich hatte damit gerechnet, jetzt langsam etwas zu Gesicht zu bekommen.«
    »Ich weiß, Professor Chilton«, sagte Connie und schrumpfte innerlich zusammen. Sie hatte zuerst gezögert, ihn von sich aus aufzusuchen, weil sie Angst vor den gewaltigen Erwartungen hatte, die er in sie setzte. Nun sah sie, wie diese Erwartungen sich über seinem Kopf sammelten wie eine große Wolke, oder wie eine Zeltplane, die sich mit Regenwasser füllt und jeden Moment überlaufen wird. »Tut mir leid. Ich war so damit beschäftigt, alles mit diesem Haus zu erledigen.« Noch während sie diese Worte aussprach, wurde ihr bewusst, auf welch tönernen Füßen ihre Ausrede stand.
    »Ihr Hauptaugenmerk muss bei Ihren Forschungen liegen«, begann er und schob seinen Stuhl zurück. Das Klingeln des Telefons schnitt ihm jedoch mitten im Satz das Wort ab. Irritiert blickte er auf den Apparat, dann zu Connie und wieder zurück zum Telefon. »So ein Pech«, sagte er, »würden Sie mich einen Moment entschuldigen?« Er hob den Hörer ab.
    Connie nahm den momentanen Aufschub dankbar hin und wandte sich den Büchern zu, mit denen Chiltons Büro vollgestellt war. Genüsslich ließ sie den Blick über die Buchrücken
schweifen. Connie und Liz hatten schon oft ihre Witze darüber gemacht, dass Doktoranden bei einer Einladung zum Abendessen schreckliche Gäste seien, weil man sie einfach nicht von den Bücherregalen loseisen konnte.
    Auf den Regalen in nächster Nähe des

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