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Das Hexenbuch von Salem

Das Hexenbuch von Salem

Titel: Das Hexenbuch von Salem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
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Tätigkeit als Hebamme. Sie streckte sich, hob die Arme über den Kopf und zog über dem Rücken ihres Bibliotheksstuhls die Schulterblätter zusammen. Langsam floss ihr das Blut wieder in die verkrampften Finger, und sie dehnte sie, den Stift noch in der Hand. Schließlich schob sie das offene Tagebuch von sich, rieb sich die Augenlider und wandte sich erneut ihren Notizen zu.
    Bis jetzt erwähnte das Tagebuch mit keinem Wort Prudences berüchtigte Großmutter. Dafür nahm Prudences eigenes Leben langsam Konturen an: Sie war Hebamme gewesen, und offenbar auch eine sehr erfahrene, da sie bislang noch keine Mutter bei der Geburt verloren hatte, und auch nur ein paar Babys. Verheiratet war sie mit einem Mann namens Josiah Bartlett, der seinen Lebensunterhalt offenbar als Schauermann verdiente und bei der Beladung von Schiffen und ihrer Löschung beteiligt war, wenn diese an den Docks
von Marblehead vor Anker gingen. Die Bartletts waren anscheinend langjährige Freunde von Prudences Familie gewesen, obwohl Connie nicht genau dingfest machen konnte, woher sie diesen Eindruck hatte. Prudence schien bei ihren Nachbarn wohl gelitten zu sein, obwohl ihr das zu fehlen schien, was Connie als Freunde bezeichnet hätte. Sie lebte in Marblehead, besuchte jedoch nur sporadisch die Kirche. Reisen musste sie nur, wenn man sie zu einer Patientin rief, doch dann kam sie im gesamten County Essex herum: bis Danvers, Manchester, Beverly, nach Norden hin sogar bis Newburyport und südlich bis Lynn.
    Ein paar Einträge hoben sich dermaßen von den anderen ab, dass sie eine wortwörtliche Abschrift nahelegten, und Connie schaute sie sich noch einmal an.
    3I. Oktober I74I. Wird kald. Der alte Pet. Petford gestorben. Möge Gott ihm vergeben.
    Connie war sich nicht sicher, was dieser Eintrag bedeuten mochte, doch Prudence erwähnte außer ihren eigenen Patientinnen und ihre Familie so selten jemanden, dass die Bemerkung über Peter Petford – wer auch immer das war – ihr sofort ins Auge gesprungen war. Sie machte in ihrem Notizbuch ein Sternchen neben dem Namen, damit sie später daran dachte, nach ihm zu forschen.
    6. November I74I. Schnee. Die ganze Nacht Schmerzen. Ein gesundes Mädchen entpunden. Patience. Zuhause geplieben.
    Connie lächelte. Patience – Geduld: Prudence hatte ihrer kleinen Tochter also einen ebenso gewichtigen Namen gegeben wie ihr eigener.

    I7. Juli I74I. Regen und Wind. Endivien gerettet. Jedediah Lampson auf See verschollen.
    Connie war sich nicht sicher, ging jedoch stark von der Annahme aus, dass dieser Eintrag sich auf den Tod von Prudences Vater bezog. Sie lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und dachte nach. Mit welcher Beherrschtheit und Nüchternheit erwähnte Prudence hier den Verlust eines Elternteils! Connie konnte sich einfach nicht vorstellen, selber auch so kühl reagiert zu haben, als Leo damals auf See verschollen gewesen war. Und obwohl Grace nur selten von Lemuel Goodwin, ihrem Vater, gesprochen hatte, so tat sie es immer mit Zärtlichkeit und Bedauern. Wie hatte wohl Mercy auf den Verlust von Jedediah Lamson reagiert? Das Tagebuch machte dazu keine Angaben. Was hatte Granna getan, als sie Lemuel verlor? Keiner der Historiker, die sie kannte, hatte sich jemals mit dem Seelenleben von Frauen beschäftigt, die ihre Männer überlebten.
    Sie runzelte die Stirn. Natürlich waren die meisten Männer, denen sie sich im Zusammenhang mit Deliverances Familie begegnet war, nicht einfach nur vor ihren Frauen gestorben; sie hatte tödliche Unfälle erlitten. Grausame, schlimme Unfälle. Connie hatte den starken Verdacht, wenn sie jemals noch etwas über Nathaniel Dane herausfinden würde, der vor Deliverance gestorben war, würde auch er in dieses Muster passen. Das Leben in der Vergangenheit war eine gefährliche Angelegenheit gewesen.
    Mit Vornamen war Mercy Lamsons Ehemann kein weiteres Mal erwähnt worden, doch Connie konnte sich keinen anderen Grund denken, warum Prudence das Ereignis in ihr Tagebuch aufgenommen hatte, als dass ihr Vater verstorben war. Ihr Verdacht schien sich durch einen Eintrag im darauffolgenden Monat zu bestätigen.

    20. August I749. Sonne, ziemlich heiß. Mutter angereist. Im Garten gearbeitet.
    Bisher hatte Prudence Mercy kein einziges Mal erwähnt, aber nach dieser Eintragung tauchte ihre Mutter in regelmäßigen Abständen auf, wobei Prudence die gleiche Ausdrucksweise verwendete wie bei anderen Mitgliedern ihres Haushalts. Mercy wurde als fleißige Kirchgängerin beschrieben,

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