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Das Hexenbuch von Salem

Das Hexenbuch von Salem

Titel: Das Hexenbuch von Salem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
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nur flach und mit gleichgültiger Farbe gemalt waren.
    »Und doch ist auch eines wahr«, sagte er ein drittes Mal und begegnete nun ihren kühl blickenden Augen. » Jene Unglückseligen waren unschuldig.«

ELF
    Boston, Massachusetts
3.Juli 1991
     
    D er Leseraum der Spezialsammlung des Athenäums in Boston war vollkommen leer, und Connie schaute schon zum fünften Mal in einer Stunde auf die Uhr und fragte sich, ob sie die Verspätung als nicht allzu subtilen Wink mit dem Zaunpfahl begreifen sollte. Der wissenschaftliche Bibliothekar hatte keinen Versuch unternommen, seine Irritation zu verbergen, als sie nach dem bestellten Buch fragte.
    »Na gut, in Ordnung «, flüsterte er. »Aber wir machen heute früh zu. Warten Sie da drüben.« Er zeigte auf den Stuhl, der am weitesten entfernt vom Ventilator an einer Stelle in der prallen Sonne stand, und Connie spürte, wie sich die schwüle Hitze an ihren Rücken drängte wie eine Decke. Von ihrer Braue kullerte ihr ein Schweißtropfen seitlich die Nase hinunter, und sie wischte ihn genervt weg. Noch fünfzehn Minuten , nahm sie sich vor. Fünfzehn Minuten kann ich noch warten. Mit dem Bleistift malte sie die Blätter einer Pusteblume aus, die sie an den Rand ihres Notizbuches gezeichnet hatte. Im selben Moment entspannte sie sich ein wenig, zog in Gedanken vor dem Tisch, an dem sie saß, eine hauchdünne Leinwand empor, auf die sie nun, wie in einem vollkommenen Tagtraum, einen Film von Sam projizierte. Er strich sich im Mondlicht das nasse Haar aus der Stirn. Langsam
ließ sie sich weiter in den Traum hineingleiten, die Lippen genüsslich verzogen.
    »Warten Sie auf das Bartlett-Tagebuch?«, fragte der junge Bibliothekar mit säuerlicher Miene. Connie blinzelte und kehrte in Gedanken zu dem Tisch, ihrem Notizbuch und der Sonne auf ihrem Rücken zurück, und zu dem Mann, der über einen Wagen mit verschiedenen Archivkartons gebeugt stand.
    »Ja«, sagte sie und schob sich mit ihrem Stuhl zurück, um nach dem ersten Karton zu greifen.
    »Einen Moment noch«, sagte der junge Mann und schob sie beiseite. »Sie sind hoffentlich mit den Regeln vertraut. Keine Füllfederhalter. Benutzen Sie die Styroporquader, um die Buchdeckel abzustützen, damit der Rücken nicht bricht. Keine Fotokopien. Öffnen Sie immer nur einen Karton auf einmal. Berühren Sie die Handschriften so wenig wie möglich, und tragen Sie dabei die hier.« Er legte ein Paar neue weiße Baumwollhandschuhe auf den Tisch neben ihr. »Und offen gesagt sollten Sie wirklich nicht hier in der Sonne sitzen«, schloss er und warf Connie einen unheilvollen Blick zu.
    »Ich ziehe nur allzu gerne um«, sagte sie, zu müde, um zu streiten.
    Kurze Zeit später hatte Connie es sich an einem schattigen Plätzchen am Ende eines langen Tisches gemütlich gemacht und zog den ersten Karton zu sich heran, wobei sie die Ecken nur vorsichtig mit den behandschuhten Händen anfasste. Sie öffnete den Karton aus säurefreiem Papier, löste den Knoten der Schnur, die um das darin liegende Buch geschlungen war, und legte den ersten Band des Tagebuchs über zwei grüne Quader aus Styropor. Dann klappte sie vorsichtig das Buch auf und las die Titelseite.

    Tagebuch von Prudence Bartlett , stand da in schwacher, wässriger Schrift. 1. Januar 1741 bis 31. Dezember 1746 .
    Connie stockte der Atem, und ihr war schwindelig vor Vorfreude. Prudence war zwar in der fragmentarischen Niederschrift von Mercy Lamsons Prozess aus dem Jahre 1715 nicht namentlich erwähnt worden, doch wie es schien, war sie laut Mercys Nachlassakte die einzige Erbin gewesen. Obwohl die Neuengländer für ihre Bildung berühmt waren, hatten doch nur wenige Bewohner der Kolonien etwas so Explizites wie ein Tagebuch hinterlassen – und noch weniger Frauen. Connie war erstaunt gewesen, als sie bei einem flüchtigen Anruf im Bostoner Athenäum erfahren hatte, dass Prudence Lamson Bartlett ein Tagebuch geführt hatte, das den Weg in die Spezialsammlung gefunden hatte. Bis dato wusste sie, dass das Rezeptbuch bei Mercys Tod in Prudences Hände übergegangen war, aber sie hatte weder Prudences Testament noch ihre Nachlassakte gefunden. Bei derart alten Aufzeichnungen, das wusste Connie, war es oft so, dass sie unvollständig oder beschädigt waren, aber das Verschwinden von Prudences Nachlassverzeichnis hatte sie dennoch arg mitgenommen. Es war ein finsterer Nachmittag letzte Woche gewesen, als sie in einer Mischung aus Selbstmitleid und Panik hier angerufen hatte, überzeugt

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