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Das Hexenkreuz

Das Hexenkreuz

Titel: Das Hexenkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Muenzer
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kleine goldene Trommeln geschnallt. Ihr Erscheinen löste ebenso lüsterne
Begeisterung aus wie das der Tänzerinnen. Diese begannen nun ihre geschmeidigen
Körper im Rhythmus der einsetzenden Trommeln zu wiegen.
    Auch Emilia
wurde von der sinnlichen Darbietung der jungen Mädchen mitgerissen und ihr Blut
begann im Rhythmus der Trommeln zu pulsieren. Ihr Gemahl, dem ihre Erregung
nicht entging, presste unter dem Tisch seinen Schenkel an den ihren. Er blieb
dort wie ein Versprechen. Die Knaben schlugen die Trommeln immer wilder und die
Mädchen stampften mit ihren nackten Füßen auf. Die geschmeidigen Leiber der
Mädchen wirbelten umher, ihre langen Haare flogen und bedeckten ihre Gesichter.
Dann begann die erste, ihre Schleier abzuwerfen. Die anderen folgten ihr nach –
wie Schmetterlinge entstiegen sie nach und nach ihren seidenen Kokons. Am Ende
kam auch das letzte der Mädchen splitternackt auf dem kühlen Terrazzoboden zu
liegen. Ihre makellosen dunklen Leiber glänzten von der Anstrengung des Tanzes,
während sich ihre jungen Brüste im schnellen Auf und Ab ihres Atems hoben.
    Auf ein
Zeichen der Herzoginmutter hin eilten Diener herbei, hoben die erschöpften
Tänzerinnen auf und führten sie hinaus. Hier und dort erhob sich verstohlen ein
Mann und folgte der kleinen Gruppe hinaus.
    Emilia
spürte, dass jemand sie unverwandt ansah und begegnete dem brennenden Blick
eines Mannes. Er betrachtete sie auf eine aufreizende Weise, die keinen Zweifel
an seinen Absichten ließ. Er löste etwas in ihr aus und jäh glaubte Emilia,
einem Déjà-vu zu erliegen. Die tanzenden Leiber der Mädchen, das heiße Rauschen
ihres Blutes, das unverhohlene Begehren eines Mannes, all das hatte sie schon
einmal so erlebt. Nur wann und wo? Sie versuchte die Erinnerung festzuhalten,
doch sie verflüchtigte sich wie ein Blatt im Wind und ließ den faden
Beigeschmack zurück, dass ihr etwas Wichtiges entgangen war. Erneut sah sie zu
dem Mann hinüber, der sie unverwandt anstarrte. Nun, da er ihre Aufmerksamkeit
errungen hatte, lächelte er sie an. Er war nicht mehr jung, doch er besaß ein
einnehmendes Äußeres und eine Ausstrahlung, die trotz seines Gebarens nicht
aufdringlich wirkte. Sie wusste, dass er ihr vorgestellt worden war, aber sein
Name war einer unter vielen gewesen und sie hatte ihn sich nicht gemerkt.
    Noch mehr
raffinierte Gänge wurden aufgetragen und Wein und Spirituosen sprudelten
unentwegt. Irgendwann ließ Emilias Euphorie nach. Der glückselige Nebel, der
sich über sie gelegt hatte und sie alles wie in einem Traum erleben ließ,
lichtete sich. Sie fühlte sich mit einem Mal desorientiert. Woher kam dieses
jähe nagende Gefühl, dass sie gar nicht an diesen Platz gehörte?
Selbstverständlich gehörte sie hierher! Dies war schließlich ihre Hochzeit! Neben
ihr saß ihr geliebter Gemahl und plauderte mit dem alten Grafen Aquaviva, der
kurzfristig den vakanten Platz des Bischofs eingenommen hatte. Nur mit Mühe
hielt Emilia die einsetzende Panik im Zaum. Was stimmte nicht mit ihr?
Plötzlich spürte sie einen forschenden Blick auf sich gerichtet. Er gehörte ihrer
Schwiegermutter Beatrice. Eine unbewusste Stimme warnte Emilia davor, sich ihr
gegenüber ihre Verstörung anmerken zu lassen. Sie nahm daher ihren goldenen Trinkpokal
auf und prostete ihr lächelnd zu. Diese nickte und vertiefte sich dann wieder
in ihr Gespräch mit ihrem Tischnachbarn, einem fremdländisch wirkenden Mann mit
einer Hakennase. Er war Emilia zwar ebenfalls vorgestellt worden, doch dieser
Name war ihr ebenso entfallen, wie ihr ihr gesamtes früheres Leben abhanden
gekommen war. Im Augenblick schien es Emilia, als hätte ihr Leben erst mit dem
heutigen Tag eingesetzt. Verzweifelt versuchte sie sich zu erinnern und den
Knoten in ihrem Verstand zu entwirren. Sie winkte einem Diener heran und verlangte
nach einem großen Glas Eiswasser. Sie spürte eine Bewegung neben sich. Der
Herzog fragte: „Alles in Ordnung mit Euch, meine Liebe?“
    Sie beeilte
sich ihm zu versichern, dass alles in bester Ordnung wäre. Sie fühle sich
allerdings ein wenig erhitzt und bat ihn, ganz gehorsame Gattin, um die
Erlaubnis kurz den Saal verlassen zu dürfen, um ein wenig frische Luft zu
schnappen. Ihr Gemahl küsste ihr die Hand und erwiderte galant, dass er sich
schon jetzt auf ihre Rückkehr freue.
    Emilia
kannte sich in dem Palazzo nicht aus. Deshalb blieb sie in der Vorhalle zum
Saal kurz stehen, um sich zu orientieren. Sie wusste nicht, wonach sie suchte,
nur

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