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Das Hexenkreuz

Das Hexenkreuz

Titel: Das Hexenkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Muenzer
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diesen unergründlichen
Ausdruck in seinen Augen, nur dass die seinen wie frisches Frühlingsgrün
leuchteten.
    Der Herzog
sah sie unverwandt an: „Ihr habt selbstverständlich Recht, meine Teure. Es wäre
schade gewesen, Euer Gesicht mit einem Schleier zu verhüllen. Nun können alle
Gäste meine schöne Braut bewundern. Die Hochzeit findet um ein Uhr statt. Sie
gehört Euch, Mutter.“
    Er ging und
ließ eine neuerlich sprachlose Emilia zurück. Sie starrte noch auf die Türe,
die sich hinter dem Herzog geschlossen hatte, als sie unsanft gepackt wurde.
Die Dienstmädchen zerrten sie zu dem Ohrensessel vor dem Kamin. Emilia kämpfte
wie eine Löwin gegen sie an. Doch sie zwangen sie unerbittlich auf den Sessel
und Emilia hatte das Gefühl, in einen menschlichen Schraubstock geraten zu
sein.
    Ein Schatten
fiel auf sie. Die Herzoginmutter hatte sich vor ihr aufgebaut. Auf ihrer
Handfläche wog sie eine kleine durchsichtige Phiole, in der eine milchige
Flüssigkeit schwamm. Sie lächelte süffisant. Emilia wurde sofort klar, was sie
damit bezweckte. Fest presste sie ihre Kiefer zusammen. Doch die Herzoginmutter
kannte alle Kniffe. Auf ihren Wink hin, hielt ihr eine der beiden Frauen die
Nase zu. Sie selbst fasste Emilia an die Kehle und drückte mit Daumen und
Zeigefinger zu. Emilia hielt die Luft an. Die Herzoginmutter beobachtete sie
ungerührt. Tränen traten der jungen Frau in die Augen, sie zwang sich noch
länger durchzuhalten, bis sie glaubte, ihre Brust würde ihr zerspringen. Dann
siegte ihr Körper und sie riss den Mund auf, um nach Luft zu schnappen. Sofort
schüttete die Herzoginmutter ihr mit einer schnellen Bewegung den Inhalt in
ihre Kehle. Ein kurzer Eindruck von glühender Hitze in ihrer Speiseröhre und
wenige Sekunden später breitete sich von ihrem Magen aus ein warmes Gefühl in
ihrem gesamten Körper aus. Ohnmacht und Zorn verpufften und gerieten in
Vergessenheit. Emilia fühlte sich mit einem Mal herrlich beschwingt und hätte
die ganze Welt umarmen können, wenn man sie ihr gereicht hätte. Vor ihr stehend
gewahrte sie eine sehr schöne Frau, die ihr vage bekannt vorkam. Emilia
lächelte sie verwirrt an. Sicherlich waren sie einander vorgestellt worden,
peinlicherweise konnte sie sich aber nicht mehr an deren Namen erinnern. Die
Frau streckte ihr die Hand entgegen: „Kommt, meine Liebe. Es ist Zeit. Wir
müssen Euch vorbereiten. Heute ist Euer Hochzeitstag.“
    „Oh“, machte
Emilia und riss die Augen weit auf. Nun verstand sie auch, warum sie sich so unbeschreiblich
glücklich fühlte.
     
    Sechs Schimmel zogen die Prunkkutsche des Herzogs von
Pescara. Laute Hochrufe empfingen die Braut und die Herzoginmutter Beatrice,
als sie auf der weitläufigen Piazza vor der Kathedrale San Panfilo vorfuhren.
Die gesamten Einwohnerschaft Sulmonas hatte sich scheinbar auf dem Platz
eingefunden, um einen Blick auf die neue Braut des Herzogs zu erhaschen. Der
Herzog hatte sich als äußerst spendabel erwiesen. Überall in der Stadt hatte er
Weinfässer aufstellen lassen und seit dem Morgen floss der Rebensaft in
Strömen. Dazu hatte er an die Bevölkerung buntes Hochzeitskonfetti aus Zucker,
Nüssen und Mandeln verteilt, die man zu bunten Sträußen band. Die Kinder und
Frauen schwenkten sie in der Menge und winkten der Braut begeistert zu.
    Kurz bevor die
Kutsche hielt, reichte ihr ihre künftige Schwiegermutter einen kleinen Pokal.
„Ein Stärkungstrunk, meine Liebe. Dieser Tag wird anstrengend für Euch werden.
Euer zukünftiger Gemahl wünscht, dass Ihr ihn aus vollem Herzen genießen
könnt.“ Folgsam leerte die junge Braut den Pokal.
    Die
ehrwürdige, aus dem 8. Jahrhundert stammende Kathedrale von Sulmona war bis auf
den letzten Platz besetzt. Alle großen Namen Italiens waren vertreten. Auch im
Vorschiff und in den Gängen der langen Säulenreihen drängten sich die Menschen.
Als die Braut in ihrem glanzvollen Hochzeitstaat erschien, lief ein bewunderndes
Raunen durch die Reihen der Hochzeitsgäste. Emilia schwebte auf einer Wolke der
Glückseligkeit durch das mit Rosen geschmückte Mittelschiff. Die Männer
seufzten innerlich und beneideten den Herzog um diese wunderbar exotische
Blume, von der sie selbst gerne gekostet hätten. Die Frauen beneideten sie um
ihre frische und strahlende Schönheit.
    Ihr
Bräutigam erwartete sie vor dem Altar. Wie schön und stattlich er in seinem
Hochzeitsstaat aussah! Sie schenkte ihrem künftigen Gemahl ein strahlendes
Lächeln. Dieser reichte ihr die Hand und

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