Das Hexenkreuz
Brücke führte. Dort endete ihre Flucht abrupt. Von überall
her tauchten berittene Soldaten auf und verstellten ihnen den Weg. Gegenwehr
war sinnlos, angesichts der mindestens ein Dutzend auf sie gerichteten
Musketen. Francesco ritt nahe an Emanuele heran und zischte: „Ich werde sie
ablenken. Egal was passiert, versuche zu fliehen und informiere meinen Vater.“
„Und
Emilia?“, wandte Emanuele ein.
„Lass das
meine Sorge sein.“ Francesco stieß einen wütenden Schrei aus und ritt den Ring
der sie umzingelnden Männer ab.
Emanuele
fragte sich gerade, wie Francesco all diese Männer ablenken wollte, als sich
der Ring vor ihm teilte und die Herzoginmutter die Arena betrat. Sie hob ihre
Fackel und leuchtete damit Francesco direkt ins Gesicht. „Sieh an, der kleine
Francesco. Mein altes Fischchen“, sagte sie gehässig. Sie schwenkte die Fackel
zu Emanuele hinüber. „Und wen haben wir denn da? Ein wirklich hübsches
Lärvchen, will ich meinen.“
„Was soll
dieser martialische Auftritt? Wir sind friedliche Reisende“, rief Francesco
herrisch. Nur mit Mühe zügelte er seine Abscheu beim Klang der verhassten
Stimme. Er wollte unbedingt das Augenmerk der Herzogin erneut auf sich lenken,
um zu verhindern, dass sie sich näher mit Emilia befasste. Ihr Pferd verharrte
halb hinter Emanueles. Im Dunkel der Nacht standen die Chancen gut, dass
Beatrice sie in ihrer Verkleidung nicht gleich als die Frau ihres Sohnes
erkennen würde. Doch Francesco hatte die Rechnung ohne Emilia gemacht. Im
Gegensatz zu ihm, überwältigte sie ihre Wut beim Anblick dieser Frau, die ihre
Flucht im letzten Moment vereitelt hatte und Anlass allen Übels war. Mit einem
zornigen Aufschrei warf sich die junge Frau vom Pferd herab auf die
Herzoginmutter und riss sie samt ihrer Fackel zu Boden. Ineinander verkeilt,
drohten die Frauen unter die Hufe Pferde zu geraten. Die Soldaten reagierten zunächst
nicht, sondern verfolgten wie paralysiert das Schauspiel zu ihren Füßen. Niemals
zuvor hatte es jemand gewagt, ihre Herrin derart zu attackieren. Auch zögerten
sie einzugreifen, aus Angst, die Herzoginmutter zu verletzten. Francesco
erkannte blitzschnell die sich bietende Chance. „Fliehe, jetzt!“, zischte er
nochmals seinem Freund zu, während er gleichzeitig Peitsche und Pistole hob. Er
gab einen Schuss ab, und strich mit der Peitsche über die Kuppen der ihm am
nächsten befindlichen Pferde. Sofort entbrannte ein wildes Tohuwabohu. Pferde
stiegen in Panik und warfen ihre Reiter ab, Soldaten fluchten und behinderten
sich gegenseitig in ihren Bemühungen, wieder auf die Beine zu kommen. Ein jeder
hatte alle Hände damit zu tun, sein Pferd ruhig zu halten, im Sattel zu bleiben
oder sich im Falle eines Sturzes schnell aufzurappeln, um nicht von Pferdehufen
niedergetrampelt zu werden.
Francesco stürzte
sich ins Getümmel und setzte selbst mehrere Soldaten außer Gefecht. Am Ende
siegte die Überzahl - auch weil Francesco Opfer seines eigenen Plans wurde: Ein
Pferdehuf traf ihn hart am Kopf. Der Herzog selbst war es, der mit seiner
Ankunft die Schlacht besiegelte. Er packte den wild um sich schlagenden, vermeintlichen
Jüngling an seinem Kragen und zerrte ihn von seiner Mutter herunter. Emilia,
rasend vor Wut, gebärdete sich wie eine Verrückte in seinen Armen und versuchte
ihn zu beißen. Der Herzog hob den Arm, um sie zu schlagen und erstarrte
plötzlich mitten in der Bewegung. Erst jetzt erkannte er in dem Angreifer seine
Braut. Entgeistert starrte er sie an, doch er fasste sich schnell. „Ach, Ihr
seid das. Ich muss schon sagen, meine liebste Gemahlin, Ihr besitzt ein
bemerkenswertes Talent dafür, Euch bemerkbar zu machen.“ Seine Augen verengten
sich zu schmalen Schlitzen, so dass Emilia den unbestimmten Ausdruck darin
nicht deuten konnte. War es Ärger oder machte er sich schon wieder über sie
lustig? Hinter sich vernahm sie die Herzoginmutter. Energisch befahl sie ihren
Männern, den Verletzten ins Haus zu tragen und streng zu bewachen. Erschrocken
erkannte Emilia in dem Mann Francesco. Er blutete stark aus einer Wunde an der
Schläfe. Rasch sah sie sich um und suchte nach Emanuele und Donatus, doch sie
konnte keinen der beiden entdecken. Die jähe Hoffnung, dass sie während des
kurzen Kampfes hatten fliehen können, ließ ihr Herz flattern.
Der nächste
Befehl von Beatrice ließ ihre Hoffnung zur Gewissheit werden: „Folgt den beiden
Flüchtenden“, rief sie einer Gruppe von Soldaten zu. „Den jungen Mann bringt
mir
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