Das Hexenkreuz
unbedingt lebend. Der Ältere ist nicht von Bedeutung, ihn könnt Ihr töten.
Falls Ihr keinen Erfolg habt, braucht Ihr nicht mehr hierher zurückzukehren. Ihr
habt mich verstanden?“
„Ja, Herrin.
So sei es“, erwiderte der Anführer. Er wendete sein Pferd, gab ihm die Sporen
und sprengte davon, gefolgt von einem halben Dutzend Männern.
„Und nun zu
Euch, Herzchen“, sagte Beatrice und näherte sich ihr. Sie musterte Emilia mit
kalten Augen. Emilia konnte nicht umhin, mit Befriedigung die blutigen Kratzspuren
zu registrieren, die ihre Fingernägel auf deren Wange hinterlassen hatten.
„Wer hat
Euch geholfen?“, schoss sie die erste Frage auf sie ab.
Es gelang
Emilia ein Zusammenzucken zu unterdrücken. Der Gedanke, dass die kleine Nonne
in die Hände dieser Megäre geraten könnte, ließ sie frösteln. „Niemand!“,
erwiderte sie laut und klar.
„Merkwürdig,
warum glaube ich Euch das nicht? Nun, wie ihr wisst, habe ich Mittel und Wege
Euch die Wahrheit zu entreißen.“
„Nur zu, tut
Euch keinen Zwang an“, erwiderte Emilia mit einem Schulterzucken und mehr Mut,
als sie empfand. „Ich würde jetzt gerne nach dem Verletzten sehen, wenn Ihr
erlaubt.“ Emilia wandte ihr abrupt den Rücken zu und machte Anstalten den
Männern zu folgen, die den verletzten Francesco ins Haus trugen.
„Hiergeblieben.“
Die Hand ihrer Schwiegermutter schloss sich wie eine eiserne Klaue um ihren Arm
und riss sie herum. „Vergesst den Mann. Es wird Zeit. Eure Zofen erwarten Euch,
um Euch vorzubereiten.“ Sie winkte die beiden drallen Gestalten heran, die sich
bisher abseits gehalten hatten und nun aus dem Dunkel traten. Sie wollten eben
nach Emilia greifen, als eine gewaltige Explosion die Stille der Nacht zerriss.
Sofort regnete es im Hof Holz und Steine. Aus einem Eckturm hoch über ihnen
züngelten Flammen und leckten die Mauern entlang. Sofort brach ein fürchterliches
Durcheinander aus. Alles schrie und trachtete nur noch danach, sich in
Sicherheit zu bringen. Dicht neben Emilia schlug ein schwelender Balken auf und
verfehlte sie nur knapp. Andere hatten weniger Glück und wurden von herabfallenden
Trümmern getroffen. Die beiden Zofen flohen ebenfalls. Emilia folgte beherzt
ihrem Beispiel, allerdings in die entgegengesetzte Richtung.
„Mein
Laboratorium“, kreischte Beatrice entsetzt. „Schnell, holt Wasser. Bildet eine
Kette. Der Rest folgt mir!“, befahl sie und hetzte ins Haus, dicht gefolgt von
ihren Leuten.
Emilia hoffte,
dass in dem herrschenden Durcheinander niemand gleich ihre Flucht bemerken
würde. Sie irrte. Fast sofort vernahm sie schnelle Schritte hinter sich. Sie suchte
ihr Tempo nochmals zu beschleunigen. Dort, in der Nähe des Tores, stand ein
gesatteltes Pferd, das seinen Reiter verloren hatte. Sie hatte sich bereits mit
einem Satz auf das Tier geschwungen, als jemand die Zügel zu fassen bekam und
das Pferd stoppte. Wütend hieb Emilia mit der Peitsche auf den Unbekannten ein.
Sie konnte ein oder zwei Hiebe anbringen, bis man ihr auch diese entriss.
„Meiner Treu, Ihr habt wirklich den Teufel im Leib“, sagte der Herzog in einem
Ton, der tatsächlich eine Spur von Achtung enthielt. Er hatte eine blutende
Schmarre auf der Stirn. Mit dem Ärmel wischte er sich das Blut aus dem Gesicht,
bevor es in seine Augen lief. Dann streckte er ihr die behandschuhte Hand
auffordernd entgegen: „Kommt“, forderte er beinahe sanft. “Es ist nicht mehr zu
ändern. Vor Gott seid Ihr meine Frau geworden.“
„Als ob Ihr
Euch allzu viel aus Gott machen würdet“, höhnte Emilia. Sie weigerte sich
aufzugeben und sah sich verzweifelt nach einem Ausweg um. Inzwischen hatten
sich weitere Soldaten eingefunden, um bei den Löscharbeiten zu helfen und
versperrten ihr den Weg zum Tor. An Flucht war nicht mehr zu denken.
Widerwillig glitt Emilia vom Pferd. Doch ihr Widerstand blieb ungebrochen. „Glaubt
nur nicht, dass ein Kirchenschwur unter Drogen mich daran hindern wird, Euch zu
entfliehen. Ich werde es wieder versuchen“, fauchte sie den Herzog an.
„Ganz wie es
Euch beliebt, meine Teure“, erwiderte er gelassen und führte sie an seinem Arm
ins Haus zurück, als stünden sie im Begriff, einen Ball zu besuchen.
Die Hektik
und der Lärm, die auf dem Hof herrschten, seit der Turm explodiert war, schien
ihn nicht zu berühren. Er geleitete Emilia bis vor das Brautgemach und übergab
sie dort den beiden Zofen, die aus irgendeinem Winkel wieder hervor gekrochen waren.
Er küsste ihr die Hand und
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