Das Hexenkreuz
getrocknet und anschließend ihr Körper von oben bis unten gesalbt und
parfümiert. Endlich hüllte man sie in ein zartes Nichts von Negligé. Eine
Schleife aus blauem Satin hielt das durchscheinende Gebilde am Hals zusammen.
Sobald man daran zog, würde dieser Hauch von Stoff zu Boden gleiten. Emilia
zollte all diesen Prozeduren und Vorbereitungen keine Beachtung, viel zu sehr
war sie mit ihren Grübeleien beschäftigt. Sie hielt sich damit aufrecht, in dem
sie abwechselnd Rache- oder Fluchtpläne schmiedete.
Erst als die
beiden Zofen sie mit dem Stolz geschickter Handwerker vor den hohen
Kristallspiegel führten, um ihr vollendetes Werk zu bewundern, erwachte die
Braut aus ihrer Trance: Mit brennendem Blick musterte sie ihre Erscheinung und
eine Welle des Widerwillens erfasste sie. „Sieh an“, sagte sie laut, „Der
Braten ist bereit und wurde allerliebst angerichtet.“ Bevor die Zofen
irgendeine Absicht dahinter erkennen konnten, machte sie kehrt, lief in das
Waschkabinett und sprang mit Schwung in die Wanne zurück. Das überschwappende
Wasser flutete den Raum. Die Zofen benötigten einige Sekunden, um sich aus
ihrer verblüfften Schreckensstarre zu lösen. Um so lauter brachen sie dann in Wehklagen
aus. Sie zeterten und rissen an ihren Hauben, bis sich ihr Haar in langen grauen
Strähnen löste.
Emilia
tauchte in dem kalten Wasser unter. Als sie prustend wieder auftauchte, stand
die Herzoginmutter vor der Wanne. Gesicht und Hände waren rußverschmiert und
das kostbare Ballkleid an mehreren Stellen angesengt. „Was soll das?“, fuhr Beatrice
die Zofen an. „Warum ist das Mädchen noch nicht bereit? Man könnte meinen, Ihr
zwei hättet genug Zeit dafür gehabt. Zehn Stockhiebe für jede!“
Die beiden
Frauen wichen entsetzt bis an die Wand zurück, protestierten jedoch nicht.
Emilia taten
die alten Zofen plötzlich leid. Ehrlicherweise musste sie zugeben, dass sie
wirklich sehr viel Mühe auf sie verwandt hatten. „Es ist nicht ihre Schuld“,
hob sie zu deren Verteidigung an. „Ich war bereits fertig. Doch ich habe ihnen
einen Streich gespielt, indem ich mich zurück ins Wasser gestürzt habe. Seht!“
Sie erhob sich aus der Wanne und offenbarte das zarte Negligé. Die Nässe modellierte
ihren Körper wie eine zweite Haut.
Beatrice
starrte sie an. Einst war sie ebenso jung und schön gewesen ... Für die Dauer
eines Herzschlags glaubte Beatrice den eisigen Hauch der Vergänglichkeit in
ihrem Nacken zu spüren. „Aber selbstverständlich ist es ihre Schuld“, erwiderte
sie dann mit einem Lächeln, das viel zu milde wirkte, um wahrhaftig zu sein.
„Rosa, Margerita? Seid so gut und wollt bitte unserer widerspenstigen Braut
erklären, warum Ihr Euch die Stockhiebe verdient habt?“
Beide
knicksten und murmelten mit gesenkten Augen. „Weil wir unserer Aufsichtspflicht
nicht nachgekommen sind, Herrin.“
„Was seid
Ihr nur für eine verabscheuungswürdige Frau“, rief Emilia erbost. “Lasst sie in
Ruhe. Wenn Ihr Eure sadistischen Gelüste befriedigen müsst, dann schlagt mich
dafür!“
„Glaubt mir,
mein Kind, nichts was ich lieber täte, aber ich möchte meinen Sohn nicht um das
Vergnügen dieser ersten Nacht bringen“, parierte sie süffisant. „Los, steht
hier nicht faul herum“, fuhr sie die verängstigten Zofen an. „Kümmert Euch um
sie. Ich komme sie in einer halben Stunde abholen. Und wehe, sie ist dann nicht
bereit!“
„Natürlich,
Herrin“, scholl der beflissene Chor zurück.
Bevor die
Herzoginmutter ging, rief Emilia: „Sagt, wie geht es dem Verletzten?“
„Gut! Er ist
noch nicht aufgewacht“, lautete die zweideutige Antwort.
„Noch ein
Wort, Schwiegermutter. Ihr habt mir mein Eigentum gestohlen. Gebt mir
wenigstens die Kette mit dem Kreuz zurück. Sie ist das einzige, was mir von
zuhause geblieben ist.“
„Richtig,
Eure Sachen - da Ihr es selbst erwähnt… Woher habt Ihr den blauen Saphir?
Heraus mit der Wahrheit!“
Emilia stieß
Beatrices Ton auf. Ihr wurde sofort klar, dass sie ihre Kette nie wieder sehen
würde. Trotzdem fand sie, dass es keinen Grund gab Beatrice die Wahrheit über
die Herkunft des Saphirs zu verheimlichen. Liebenswürdig sagte sie: „Der Stein
wurde mir von einem Maultier direkt vor die Füße geschissen, Schwiegermutter. “
Sie lächelte zuckersüß.
Beatrices
Lächeln fiel eine Spur weniger süß aus: „Treibt es nicht zu weit . “ Sie
ließ Emilia stehen.
Schlag Mitternacht holte sie die Herzoginmutter ab. Ihrem
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