Das Hexenkreuz
murmelte: „Ich kann es kaum mehr erwarten, meine
Liebe. Die Zeremonie beginnt in spätestens einer Stunde.“
„Zeremonie?
Welche Zeremonie?“, fragte sie laut, da sich ihr der Zusammenhang mit ihrer
Hochzeitsnacht nicht erschloss.
„Geduld. Ihr
werdet es bald erfahren. Wenn Ihr erlaubt, ich muss mich nun um dringliche
Angelegenheiten kümmern. Es brennt, wie Ihr sicherlich bemerkt habt.“
Die
Erwähnung der dringlichen Angelegenheiten, drängte die unbekannte Zeremonie
sofort in den Hintergrund. Auch sie beschäftigte eine dringende Frage.
„Wartet…!“, rief Emilia. „Bitte, könnt Ihr mir etwas über den Zustand des
Gefangenen sagen oder jemanden schicken, der mir berichtet, wie es um ihn
steht?“
Der Herzog,
der bereits die erste Stufe genommen hatte, hielt inne und kehrte zu ihr
zurück. Forschend sah er ihr ins Gesicht. „Sieh an… So sehr sorgt Ihr Euch um
ihn? Ein verflossener Liebhaber vielleicht?“, fragte er mit einer hochgezogenen
Braue. „Solltet Ihr gar nicht mehr die Jungfrau sein, die man uns versprochen
hat?“
Emilia
witterte sofort ihre Chance. Wenn der Herzog annahm, dass die bestellte Ware
bereits beschädigt war, würde er sie vielleicht zurückgeben wollen. Noch war
die Hochzeitsnacht nicht vollzogen und ihre Ehe konnte jederzeit für ungültig
erklärt werden. Das hatte ihr Emanuele im Stall tröstend ins Ohr geflüstert.
„Selbstverständlich
bin ich längst keine Jungfrau mehr, was denkt Ihr von mir?“, gab sie im stolzen
Ton einer Frau zurück, die auf diesem Gebiet mannigfaltige Erfahrungen
vorweisen konnte. „In der Tat hatte ich bereits ein Dutzend Liebhaber!“
Der Herzog
ließ ein belustigtes Schnauben hören. „Ihr seid eine schlechte Lügnerin, Emilia
von Pescara. Ich kenne den Verletzten nur zu gut. Francesco Colonna ist ein
Jesuit aus Überzeugung. Niemand unter Gottes weitem Himmel verabscheut die
Frauen mehr, als er es tut. Glaubt mir, er würde sich lieber beide Arme
abhacken lassen, als eine Frau wie Euch freiwillig zu berühren.“
„Ach ja?
Immerhin hat er versucht, mich zu befreien. Findet Ihr nicht, dass das für sich
spricht?“, setzte Emilia entgegen.
Der Herzog
seufzte: „Ihr zeichnet Euch durch ermüdende Hartnäckigkeit aus, meine Herzogin.
Ihr wisst so gut wie ich, dass Colonnas Eingreifen lediglich der Loyalität
geschuldet war, die er seinem Freund Emanuele di Stefano, Eurem Bruder,
entgegenbringt, und weit weniger dem Verlangen entsprang, einer ehemaligen
Geliebten zur Hilfe zu eilen. Selbst wenn sie so schön und heißblütig ist wie Ihr.“
Bei den letzten Worten hatte er nach ihrem Kinn gegriffen. Bevor Emilia sein
Vorhaben erkannte, küsste er sie hart auf den Mund. Er ließ sie sofort wieder
los und eilte leichtfüßig die Treppe hinab. Emilias Lippen brannten. Doch weit
mehr brannte die Scham in ihr. Sie hätte diesen Kuss all zu gerne als
unangenehm empfunden, doch so war es nicht gewesen. Sie schrie ihm nach: „Ich
bestehe darauf zu erfahren, wie es dem Verletzten geht, hört Ihr!“
Der Herzog
hatte den ersten Treppenabsatz erreicht und antwortete ihr über die Schulter
hinweg: „Sorgt Euch nicht, meine Teuerste. Er ist in guten Händen. Meine Mutter
kümmert sich um ihn.“
Wunderbar , dachte Emilia. Genau das ist ja
meine Sorge… Sie malte sich die schrecklichsten Dinge aus, die Francesco
durch diese Hexe erleiden konnte. Wenn Emanuele nur bald mit Hilfe
zurückkehrte, betete sie voller Inbrunst. Dass er mit seiner Mission scheitern
und die Männer des Herzogs ihn ergreifen könnten, verdrängte sie an die
äußerste Peripherie ihrer Vorstellungskraft.
Die beiden
Zofen oder Gefängniswärterinnen, wie Emilia sie insgeheim nannte, hatten sich
ihr genähert. Mit geübten Händen begannen sie die junge Frau zu entkleiden.
Dabei schimpften sie leise vor sich hin, wie man sich als Frau in derart
unschickliche Männerkleider hüllen konnte. Als Emilia nackt und rosig vor ihnen
stand, wickelten sie die junge Frau in ein weiches Handtuch und führten sie in
das angrenzende Waschkabinett aus dunklem Marmor. Der Raum wirkte auf Emilia
kühl und kalt, kein Vergleich zum ansprechenden Ambiente des Bades im Palazzo
Colonna. Emilia verwunderte es daher nicht, dass das Wasser in der Wanne, in
das sie ihre zwei Aufpasserinnen jetzt setzten, ebenso kalt war. Sie wurde
gebadet, geschrubbt und schmerzhaft enthaart, dann auf eine lange Bank
verfrachtet und wie ein Brotteig gründlich durchgeknetet, ihr gewaschenes Haar
gekämmt,
Weitere Kostenlose Bücher