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Das Hexenkreuz

Das Hexenkreuz

Titel: Das Hexenkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Muenzer
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zurück und hielten sie gegen ihren heftigen Widerstand gefangen. Eine
dumpfe Stimme, in der Emilia jene des Grafen Bramante zu erkennen glaubte,
meldete sich zu Wort: „Beruhigt Euch, meine Teuerste. Wir möchten lediglich
sicher gehen, dass unser künftiges Mitglied auch tatsächlich dem Wohl unserer
Sache dienen wird. Führt sie zum Altar“, befahl er als nächstes laut. Emilia
wurde an den Händen gepackt und vor den Opferstein gezerrt.
    Entsetzt
erkannte sie aus der Nähe das Antlitz der Frau. Beatrice musste es längst vor
ihr entdeckt haben: Die junge Frau war Filomena!
    Im Gegensatz
zu Filomena, die in einem tiefen Schlaf zu liegen schien, regte sich der Mann
neben ihr. Er war von zarter Statur und noch sehr jung. Sein knabenhafter
Körper war mit unzähligen Narben bedeckt. Dann gewahrte Emilia etwas, das ihr
das Blut förmlich in den Adern gefrieren ließ: Der Jüngling war erst kürzlich
entmannt worden und die entsprechende Stelle blutverkrustet. Dieselbe Gestalt,
die bereits das schwarze Tuch entfernt hatte, nahm dem verstümmelten Jüngling
nun seine Binde ab. Dunkle Augen, von grenzenlosem Leid erfüllt, richteten sich
auf Emilia.
    Der
Wortführer hatte sich ihr genähert. Er streckte ihr einen langen Dolch entgegen,
in dessen Griff rätselhafte Zeichen geritzt waren. „Hier, nehmt! Beweist uns,
dass Ihr für unsere Sache eintretet. Euer Schwur kann ausschließlich mit dem
Blut des Opfers erfolgen. Ihr müsst ihm die Spitze tief ins Herz treiben.“ Er
drückte der erstarrten Emilia den Dolch in die Hand, umfasste ihr zartes
Handgelenk und senkte unerbittlich die Spitze auf die haarlose Brust des
Jünglings herab, die sich in schnellem Stakkato auf- und abbewegte.
    Erneut wurde
Emilia in die Augen des Todgeweihten gesogen. Sie schienen sie anzuflehen,
seinem Leiden endlich ein Ende zu bereiten. „Tötet ihn!“, erklang der Befehl.
    Emilia
erwachte aus ihrer Starre. „Niemals!“, presste sie hervor und trat einen
Schritt zurück. Die Klinge entglitt ihrer Hand und fiel zu Boden. Sofort trat
jemand aus dem dichten Halbkreis, der sie umgab, bückte sich und reichte sie
dem Wortführer zurück.
    Emilia ahnte
den Seufzer mehr, den Graf Bramante ausstieß, als dass sie ihn hörte. „Ich
fürchte, Ihr habt keine Wahl, Herzogin Emilia. Eure Weigerung würde ihn nicht
retten, sondern sein Leiden nur unnötig verlängern. Wenn Ihr ihn nicht tötet,
dann werden wir ihn töten. Sterben wird er heute allemal“, sprach er das
Todesurteil. „Wenn Ihr es nicht selbst vollbringt, dann wird Eure kleine
Freundin hier leider heute ebenfalls sterben.“
    „Was fällt
Euch ein? Habt Ihr den Verstand verloren?“, mischte sich Beatrice ein. „Niemals
werde ich das zulassen!“ Die beiden Männer hatten alle Mühe, sie zu bändigen. Beatrice
stieß fürchterliche Verwünschungen gegen sie aus. Graf Bramante verfolgte ihren
Kampf ungerührt.
    „Ich
fürchte, auch Ihr habt keine Wahl, teuerste Beatrice“, sagte er mit einer
Stimme, deren Klang kaum verhehlte, wie sehr er seinen heutigen Triumph genoss.
„Die Mitglieder unseres Bundes haben diesen Beschluss gemeinsam gefasst. Ihr
tätet besser daran, Eure Schwiegertochter dazu zu bringen, sich zu fügen.
Stellt Euch vor, Ihr müsstet Eurem Sohn bei seiner Rückkehr erklären, dass er schon
wieder zum Witwer geworden ist.“ Der Zynismus in seiner Stimme war
unerträglich.
    Beatrice
hatte ihre Bemühungen, sich zu befreien, eingestellt. „Lasst mich mit ihr
reden“, forderte sie.
    Ein Wink von
ihm und Beatrice kam frei. Sie richtete sich zu voller Größe auf. „Ich kenne
Euch“, sagte sie dann kalt zu den beiden vermummten Gestalten, die sie
malträtiert hatten. Diese wichen sichtlich erschrocken vor ihr zurück.
    Langsam
schritt Beatrice dann auf Emilia zu. Als würden sie Beatrices Nähe fürchten,
brach die Phalanx der schwarzen Gestalten auf. Ausnahmslos wichen sie bis zur
Wand vor ihr zurück und verschmolzen mit der Dunkelheit. Beatrice lächelte.
Ihre Miene zeigte deutlich, was sie von diesen Feiglingen hielt. Einzig Graf
Bramante verteidigte seine Position am Opferstein.
    Emilia hatte
von dem Schlagabtausch nichts mitbekommen. Sie war viel zu sehr damit
beschäftigt, einen Ausweg aus ihrer verzweifelten Lage zu ersinnen. Daher
schrak sie zusammen, als plötzlich Beatrice in ihr Ohr zischte: „Du musst es
tun. Sonst sind wir verloren.“
    Beatrice
hatte Graf Bramante den Dolch entrissen und hielt ihn nun mit dem Griff voran
Emilia entgegen. Emilia hob

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