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Das Hexenkreuz

Das Hexenkreuz

Titel: Das Hexenkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Muenzer
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den Kopf und versuchte im Gesicht ihrer Schwiegermutter
zu erkennen, ob diese noch ein Ass im Ärmel hatte. Nichts dergleichen.
    Emilia sah
zu Filomena, dann wanderte ihr Blick zurück zu dem armen Jungen. Langsam
streckte sie die Hand nach dem Dolch aus und nahm ihn. Ihre Augen wurden
schmal, während sie ihn betrachtete. Es gab nur diesen einen Ausweg. Sie
schenkte der Welt so wie sie sie kannte, ein letztes Lächeln. Dann hob sie den
Dolch und stach fest zu.
    Beatrice
erkannte rechtzeitig ihr Vorhaben. Sie fiel Emilia in den Arm, bevor die Spitze
des Dolches, die die junge Frau gegen sich selbst gerichtet hatte, sie treffen
konnte. Kraftvoll verbog Beatrice ihren Arm, lenkte Emilias Hand und stach
gemeinsam mit ihr zu, mitten in das Herz des Jünglings. Blut spritzte auf
Emilias Hemd, als Beatrice die Klinge kaum eine Sekunde später wieder
herauszog. Alles hatte sich blitzschnell abgespielt. Bis auf Graf Bramante
hatte im Halbdunkel niemand das eigentliche Geschehen mitbekommen. Emilia
starrte auf die blutige Klinge in ihrer Hand. Blut tropfte auf den Boden. „Ich
habe ihn getötet“, flüsterte sie fassungslos. Die Klinge entglitt ihr und fiel
erneut zu Boden. In ihrem Inneren stieg ein unmenschlicher Schrei auf, der
lediglich als dumpfes Röcheln nach außen drang. Ihre Hände und Füße wurden
eiskalt und ihr gesamter Körper litt unerträgliche Schmerzen. Jäh erschlaffte
ihr Körper und sie sank in die schwarzen Tiefen einer gnädigen Ohnmacht hinab.
     
    Emilia kam in ihrem Bett zu sich. Bereits mehrmals hatte sie
versucht, die Augen zu öffnen. Doch die Wirklichkeit blieb verschwommen und sie
hatte sich erneut dem Dunkel überlassen. Dieses Mal blieben die Dinge an ihrem
Platz und die Welt nahm klare Umrisse an. Sie setzte sich vorsichtig auf. Ihr
Kopf fühlte sich seltsam leer an, was ihn jedoch nicht daran hinderte, höllisch
zu schmerzen. Emilia umfasste ihn, als müsste sie ihn auf ihrem Hals
festhalten.
    „Tut es sehr
weh?“, erkundigte sich eine leise Stimme. Erschrocken wandte Emilia den Kopf.
Filomena saß neben ihrem Bett. Sie hatte einen der schweren Kaminsessel an das
Bett gerückt und wirkte selbst ziemlich zerknittert. Filomena zeigte wieder ihr
zaghaftes Lächeln, das ihr etwas rührend Unschuldiges verlieh.
    „Was ist
passiert?“, fragte Emilia.
    „An was
kannst du dich denn noch erinnern?“, fragte Filomena vorsichtig zurück.
    Emilias
Miene verschloss sich. „Müssen wir gleich darüber reden? Ich kann es mir zwar
selbst kaum erklären, aber ich verspüre einen so gewaltigen Hunger, dass mir
fast schlecht ist.“ „Na, das ist doch ein gutes Zeichen“, meinte Filomena. Sie
stand auf und zog an der Kordel neben der Tür.
    Rosa
erschien ungefähr zwei Sekunden später im Zimmer, als hätte sie vor der Türe
kampiert. Ihr rotes, feistes Gesicht leuchtete vor Freude. „Oh, die Frau
Herzogin ist endlich erwacht. Welch ein Glück, welch´ eine Freude! Das ist
wunderbar!“, trällerte sie und patschte ihre dicken Hände zusammen. Ohne
Zweifel, ihre Begeisterung kam von Herzen.
    „Ist ja
schon gut, Rosa. Beruhige dich. Die Herzogin verspürt Appetit. Lass uns etwas
aus der Küche bringen, sei so gut“, unterbrach Filomena ihre
Freudenbekundungen.
    „Aber ja,
natürlich… Das Kindchen hat Hunger.“ Rosa sprang davon, so flink es ihre dicken
Beine erlaubten.
    „Na sowas“,
meinte Filomena amüsiert. „Mir scheint, du hast in diesem Haus noch eine
weitere Freundin gefunden.“
    „Ja, sie
scheint mir keine schlechte Seele zu sein. Obwohl es tatsächlich schwer ist in
diesem Haus seine Seele zu bewahren“, erwiderte Emilia düster.
    „Du
erinnerst dich also?“, tastete sich Filomena voran.
    „Natürlich“,
erwiderte Emilia kläglich. „Ich habe einen Menschen getötet. Wie sollte ich
mich nicht daran erinnern?“
    Filomena
hatte bereits mit dieser Form von Selbstanklage gerechnet. Daher erwiderte sie
jetzt leichthin: „Sei nicht kindisch. Ich habe alles aus nächster Nähe
beobachten können. Meine Mutter hat ihn getötet, nicht du.“
    „Aber ich
habe den Dolch gehalten!“
    „Und meine
Mutter hat ihn geführt. Was soll das überhaupt? Willst du dich deshalb selbst
zerfleischen? Du hast es nicht getan und basta! Ich sage dir jetzt etwas. So
traurig es auch klingt, aber der arme Junge war längst dem Tode geweiht. Du
hast ihn selbst gesehen, man hatte ihn entmannt. Meine Mutter hatte keine
andere Wahl, als so zu handeln. Sie hat uns damit alle

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