Das Hexenkreuz
denn darauf?“
„Es wurde
ihr prophezeit.“
Emilia
verdrehte die Augen und meinte dann: „Meiner Treu! Hier scheint wohl jeder
seiner eigenen Prophezeiung zu frönen ... Fürchtet sie etwa über eine Katze zu
stolpern und sich dabei das Genick zu brechen?“
„Schön wär´s…“,
seufzte Filomena. „Dein Paridi sollte sein Glück nicht versuchen. Ich werde ihn
außerhalb der Mauern absetzen. Hoffentlich findet er wieder heim.“
„Da habe ich
keine Sorge. Er hat schließlich auch hierher gefunden.“ Traurig betrachtete
Emilia Paridi. Sie hatte sich so sehr über sein Auftauchen gefreut und nun
musste sie sich schon wieder von ihm verabschieden. Sie setzten ihr Mahl fort,
an dem Paridi fürstlichen Anteil genoss. Anschließend reinigte sich Emilia die
Hände in einer Schale mit Zitronenwasser und erklärte: „So, und jetzt möchte
ich alles erfahren, was nach meiner Ohnmacht weiter geschehen ist." Paridi
hatte sich auf ihrem Schoss gemütlich eingerollt und ließ sich den Kopf
kraulen.
„Es brach
ein fürchterlicher Tumult aus“, hob Filomena an. „Mutter und Graf Bramante, der
sich als Rädelsführer erwiesen hat, sind wie die Furien aufeinander los. Man
musste sie gewaltsam trennen, ansonsten hätten sie sich gegenseitig
zerfleischt. Es folgten stundenlange zähe Verhandlungen. Am Ende hat Mutter
einen vollkommenen Sieg davongetragen. Graf Bramante hat den unverzeihlichen
Fehler begangen, ihre Macht zu unterschätzen. Die Hexe ist und bleibt die
unangefochtene Meisterin der Manipulation! Graf Bramante widerfuhr nun genau
das, was er eigentlich für seine Gegenspielerin vorgesehen hatte: Er wurde aus
dem Sol-Invictus-Orden ausgestoßen. Er hat sich mit ziemlich wüsten
Beschimpfungen verabschiedet. Meine Mutter hat sich damit einen weiteren
Todfeind geschaffen.“ Filomena sagte dies leichthin, sie schien sich nicht
weiter daran zu stören.
„Eines
verstehe ich nicht“, überlegte Emilia laut. „Wie konnte Graf Bramante die
Mitglieder des Ordens überhaupt dazu bewegen, gegen deine Mutter aufzubegehren?
Hat denn keiner von ihnen gefürchtet, dass sie später Rache an ihnen nehmen
könnte?“
„Die gleiche
Frage hat mich auch beschäftigt. Ich glaube, sie haben die möglichen
Konsequenzen gerne verdrängt. Das, was ihnen nach einer gelungenen Unternehmung
gewinkt hätte, hat sie geblendet. Du darfst nicht vergessen, dass auch Bramante
sich bestens darauf versteht, sich der niedersten Instinkte der Menschen zu
bedienen. Der Graf ist immens reich und seine Begabung als Hexer ist
hinlänglich bekannt. Viele der Sol-Invictus- Mitglieder sind zwar
einflussreich, aber nur wenige nennen ein Vermögen ihr Eigen. Fast alle sind
verschwenderisch und die meisten verschuldet. Der Adel benötigt ständig Geld.
Jenen, die der Graf nicht kaufen konnte, hat er Versprechungen gemacht, die er
mit seinen magischen Kenntnissen begründet hat. Ich nehme an, das hat sie mutig
werden lassen oder leichtsinnig. Wie man´s nimmt. Jedenfalls ist der
diabolische Plan des Grafen nach hinten losgegangen. Am Ende sind ausnahmslos
alle zu Mutter zurückgekrochen und haben ihr gegenüber feierlich ihren Treueeid
erneuert. Puh“, entfuhr es Filomena mit einem verächtlichen Laut. „Als wenn sie
ihre legitime Königin wäre.“
„Wie geht es
nun weiter? Weißt du, ob ich erneut vor diesen vermummten Sol-Invictus-Götzen
erscheinen muss?“ Der Unwille stand Emilia deutlich im Gesicht geschrieben.
„Nein, Gott
sei gedankt. Mutter konnte sie davon überzeugen, dass du dich als ihre
Schwiegertochter ihrem absolutem Willen beugst. Immerhin…“
„Immerhin…“,
wiederholte Emilia gedankenverloren. Verwundert fragte sie sich, wie innerhalb
einer so kurzen Zeitspanne ihr Leben derart aus den Fugen hatte geraten können.
Noch vor wenigen Wochen hatte sie unbeschwert im ersten Licht des Frühlings auf
ihrem Pferd gesessen und in den Weiten des Campo Imperatore Kaninchen gejagt.
Ihre Pläne hatten kaum von einem Tag zum anderen gereicht, das Leben hatte wie
ein bunter Strauß vor ihr gelegen. Filomena bemerkte den sehnsüchtigen Ausdruck
in ihren Augen. „Woran denkst du?“, fragte sie in die entstandene Stille
hinein.
„Daran, wie
rasend schnell sich alles gewandelt hat. Man hat mich verschleppt, mit einem
Fremden verheiratet, ich habe getötet und bin obendrein unfreiwilliges Mitglied
in einen satanischen Orden geworden. Ich frage mich gerade, was als Nächstes
geschehen wird.“ Mit einer gewissen Fassungslosigkeit, als
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