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Das Hexenkreuz

Das Hexenkreuz

Titel: Das Hexenkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Muenzer
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Tollheit zu begehen, um
dieses verführerische Kleinod zu besitzen.
     
    Eine Woche später betrat Filomena Emilias Gemach. Sie
balancierte mit beiden Händen einen bedrohlich schwankenden Turm Bücher, den
sie sich unter das Kinn geklemmt hatte.
    „Was bringst
du mir denn da mit?“, rief Emilia und nahm ihr rasch die obere Hälfte ab.
    Filomena
schob die Tür mit dem Fuß zu. „Lernstoff. Egal wohin uns unsere geplante Flucht
schlägt, aber du solltest Sprachen lernen. Wir fangen mit Französisch an“,
erklärte sie.
    „Beherrscht
du denn diese Sprache?“
    „Natürlich.
Neben Griechisch, Latein, Deutsch und Englisch. Viele Bücher, die mich
interessieren, wurden nie ins Italienische übersetzt. Außerdem lese ich die
Werke von Philosophen und Dichtern sowieso lieber in deren Originalsprache. Mir
fiel das Lernen seit jeher leicht. Außerdem ist es ein guter Zeitvertreib.“
    „Aha“,
erwiderte Emilia gedehnt. „Und ich soll Französisch nicht vielleicht deshalb
lernen, weil ich mit der französischen Königsfamilie verwandt bin?“
    Filomena
lächelte schief. „Na ja, Carlo hat es mir aufgetragen. Wenigstens können wir
unter diesem Vorwand viel Zeit miteinander verbringen und Fluchtpläne
schmieden, oder?“
    Zwei Wochen
vergingen. Zwischen täglichen Kirchgängen und Ausritten lernte Emilia fleißig Vokabeln
und Grammatik. Von den Fluchtplänen, die sie entwarfen, erwies sich einer als so
utopisch wie der andere. Immerhin nutzte Emilia die täglichen Messen dazu, ihren
ursprünglichen Plan weiterzuverfolgen und den Bischof von Sulmona als ihren
Verbündeten zu gewinnen. Der Bischof reagierte auch äußerst angetan auf die
junge und sichtlich so fromme Herzogin. Emilia verspürte ein wenig
Gewissensbisse, ihm für ihre Zwecke Theater vorspielen zu müssen. Denn Monsignore
Filippo Paini, seit beinahe einem Jahrzehnt Bischof von Sulmona, schien
wahrhaft ein ehrlicher und gottesfürchtiger Mann zu sein.
     
    An einem heißen Tag gegen Ende Juni stürmte Filomena in
Emilias Gemach. „Gute Neuigkeiten. Mutter hat eben einen Boten aus Paris
empfangen. Es ist unglaublich, aber mein Bruder beordert dich nach Frankreich!
Du hättest Mutters Gesicht sehen sollen, als sie seine Nachricht gelesen hat!“
    „Ich soll
nach Paris reisen? Aber warum?“ Emilia schwankte zwischen beginnender Erregung
und zurückhaltendem Misstrauen.
    „Offenbar
hat der König selbst den Wunsch dazu geäußert. Mehr habe ich in der kurzen Zeit
nicht in Erfahrung bringen können.“
    „Der König?
Aber wie sollte er? Er kennt mich doch gar nicht!“ Emilia sank auf das Bett.
„Außerdem“, ergänzte sie, „wird mich deine Mutter niemals reisen lassen. Oder
schlimmer, sie würde mich begleiten. Bevor ich ihr wochenlang in derselben
Kutsche ausgeliefert bin, bleibe ich lieber hier.“
    „Ich denke
kaum, dass Mutter sich dem persönlichen Wunsch des Königs widersetzen wird.
Carlos Brief lag ein kleines handschriftliches Billet mit dem bourbonischen
Siegel bei. Ich bin mir sicher, dass es aus Ludwigs XV. eigener Hand stammt.
Carlo weiß Mutter nur zu gut einzuschätzen. Seinem Wunsch würde sie sich
widersetzen, doch jenem des Königs niemals. Jedenfalls nicht, so lange sie
nicht hat, was sie von ihm zu erlangen hofft.“
    „Schön, dann
werde ich also die Hexe auf dem Hals haben. Sie wird mir alles verderben.“
    „Aber sie
kann nicht mitkommen! Hast du vergessen, dass sie in wenigen Tagen eine große
Gesellschaft gibt, zu der auch der junge König von Sizilien, Ferdinand III.,
erwartet wird? Er und sein Tross haben die Reise bereits angetreten. Der
Marchese Bernardo Tucci, sein Regentschaftsrat, ist mit einem Teil der Dienerschaft
schon gestern Abend eingetroffen. Meine Mutter kann es sich nicht leisten,
König Ferdinand zu brüskieren, dessen Vater Karl III. König von Spanien ist. Du
aber sollst so schnell wie möglich abreisen. Ich verschwinde jetzt lieber,
damit Mutter mich hier nicht erwischt. Besser du gibst dich überrascht, wenn
sie dir die Neuigkeit mitteilt.“
    „Du hast
wieder spioniert, gib es zu!“, rief Emilia ihr amüsiert nach.
    „Freilich.
Was wäre das Leben ohne Risiko?“, grinste Filomena und glitt hinaus.
    Kurz darauf
erschien Beatrice Höchstselbst. „Packt Eure Sachen. Der König wünscht Euch zu
sehen und ruft Euch nach Paris. Ihr reist morgen früh ab. Rosa wird Euch
begleiten.“ Sie machte auf dem Absatz kehrt.
    Emilia dachte
an die mannigfaltigen Fluchtmöglichkeiten, die sich bei der wochenlangen

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